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Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Das Mädchen aus dem Meer: Roman

Titel: Das Mädchen aus dem Meer: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hohlbein
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folgte ihren Gesten mit Blicken und paddelte unverändert im Rhythmus seines Atems weiter, lenkte das Boot dabei aber in die Richtung, in der auch er nun etwas sah. Auch wenn er noch nicht erkennen konnte, was es war.
    Nicht weit von ihnen entfernt trieben … Dinge .
    Zuerst dachte er, es seien Seevögel, aber dann erkannte er, dass es leblose Gegenstände sein mussten. Die dunklen Flecken zappelten nicht, flatterten nicht, bewegten sich nicht gegen die Strömung und waren außerdem von völlig unterschiedlicher Größe und Form. Als sie sich ihnen näherten, machte er verschiedene Farben aus: Überwiegend Braun-, Schwarz- und Grautöne, aber auch Gegenstände in Rot und Grün und in mehreren Tönen zugleich. Nach den Farben kamen die Formen, und zusammen ergab alles ein verwirrendes, aber eindeutiges Bild: Dort trieben Trümmer und Gebrauchsgegenstände im Meer, als hätte ein zu reicher Mensch alles, was er nicht mehr benötigte, achtlos von den Klippen geschüttet. Es war unmöglich, denn sein Zuhause, die Welt in der Mitte des Ozeans, war unendlich weit weg, und eine andere gab es nicht, da konnte die Fremde ihm erzählen, was sie wollte. Und doch waren diese Dinge da.
    Bald trieb das Boot inmitten eines kleinen, locker gewebten Teppichs aus Trümmern, die möglicherweise einmal zu einer Hütte gehört hatten. Chita beugte sich vor, fischte etwas Rundes, Hölzernes aus dem Wasser und hievte es an Bord.
    »Ein Wagenrad«, sagte sie leise und ließ den Blick gleichsam aufmerksam wie bestürzt über die Dinge huschen.
    Froh runzelte die Stirn und wollte sie auffordern, sich erneut ganz weit vornüberzubeugen, damit er ihren Po noch einmal betrachten konnte, aber das war nicht nötig, denn kaum hatte sie das, was sie Wagenrad nannte, in seinem Boot abgeladen, streckte sie sich von selbst wieder nach anderem Treibgut aus, wobei sie den Hintern noch einmal bis fast unter seine Nase schob.
    Als Nächstes erwischte sie einen der glutroten Gegenstände, die Froh erst in dem Moment, als sie ihn in den Fingern hielt, als Flasche ausmachte – allerdings aus einem Material, das er noch nie zuvor gesehen hatte. Es war rot, ja. Aber es war auch durchscheinend.
    Froh hörte auf, ihr Gesäß zu betrachten, schob die Paddel ins Boot, um ebenfalls einen der seltsamen Behälter zu erwischen, schaffte es und starrte im nächsten Augenblick völlig fasziniert durch den dünnen, zu einer Flasche geformten Stein.
    Die Fremde dahinter färbte sich grün und verformte sich, und Froh ließ die Flasche erschrocken fallen. Chita griff danach und betrachtete sie ihrerseits.
    »Da ist noch etwas drin«, erklärte sie erstaunlich unbeeindruckt, wie Froh fand, aber wenigstens wieder in fester Form und genau den Farben, die sie vorher gehabt hatte.
    Er sah wieder auf die Wellen hinaus. Holz und gemusterte Tücher, Flaschen und noch mehr Flaschen, die rot und grün in der sengenden Hitze flimmerten, dass ihm die Augen tränten, ein zylinderförmiges, großes Ding, das als Behälter für irgendetwas gedient haben musste, nun aber leer war – anderenfalls wäre es schließlich untergegangen. Stroh, in dem sich bereits Plankton verfing, und weitere hölzerne Trümmer …
    Chita streckte sich abwechselnd in alle Richtungen und schaufelte kopflos an Bord, was auch immer ihre Finger erwischten. Noch ein Wagenrad, noch mehr Flaschen, eines der großen Tücher, einen Leinensack, den sie sogleich wieder losließ, weil sein Inhalt nach Verwesung stank. Aber der Gestank hatte Fische angelockt, die Froh nun mit den Händen zu erhaschen versuchte. Nicht für sich, sondern für die Fremde. Aber es war hoffnungslos: Selbst als es ihm gelang, eine der blitzschnellen Doraden zu erwischen, konnte er sie nicht an Bord holen, denn sie wand sich zappelnd und glitschig, wie sie nun einmal war, aus seinen Fingern.
    Aus dem Augenwinkel sah er, wie sich Chita plötzlich ins Boot zurückfallen ließ und entsetzt auf einen bestimmten Punkt un weit des Bootes starrte. Dort trieb eine Leiche. Eine Kinderleiche , um genau zu sein. Sie war unbekleidet. Die Sonne hatte sie aufgebläht und ihre Haut verbrannt, sodass sie aufgeplatzt war und sich an einigen Stellen von den Muskeln schälte. Sie trieb auf dem Bauch, sodass sie ihr Gesicht nicht sehen mussten. Doch ihr helles, von Algen und Plankton verklebtes Haar verriet Froh, dass sie der Fremden zu Lebzeiten ähnlich gesehen hatte.
    Jetzt aber war sie tot. Und frei.
    Froh steuerte das Boot auf die Leiche zu, beugte sich zu

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