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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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geschehen wäre, würde sie nun schon beim ersten Haus beschimpft und fortgejagt. Und was sollte sie dann tun? Doch als sie vorsichtig den Kopf hob, um der Bauersfrau in die Augen zu sehen, fielen ihre Ängste von ihr ab wie eine Last.
    Die junge Frau lächelte. „Du kommst wie gerufen! Nur herein mit dir, und wir wollen sehen, ob deine Tränke etwas taugen!“
     
    ***
     
    Der Säugling griff glucksend nach dem Haar der Fremden, die ihm einen Tee gegen Verdauungsprobleme zubereitet hatte. Während Reeva dem Kind das Getränk einflößte, spürte sie eine Wärme, als würde die Flüssigkeit in ihren eigenen Bauch strömen: Endlich, endlich hatte sie wieder das Gefühl, das Richtige zu tun. Und die Bauersfrau, die Mutter des Kindes, hatte ihr Vertrauen entgegengebracht: Sie hatte ihren Sohn nicht krampfhaft umklammert, sondern ihn Reeva ruhig auf den Schoß gesetzt. Vergnügt sah sie dabei zu, wie der Kleine an den Locken der Heilerin zog.
    Reeva musste lachen und löste sanft die Händchen aus ihrem Haar. Stattdessen hielt sie dem Kind ihren Zeigefinger hin, den es sofort umklammerte.
    „Sieh nur, er mag dich“, meinte die redselige Mutter. „Hast du denn kleine Geschwister?“ Gleich darauf legte sie sich erschrocken eine Hand über den Mund: „Verzeih, ich habe nicht nachgedacht. Du bist wohl ganz allein auf der Welt. Ziehst du immer umher und heilst?“
    Reeva störte sich nicht an der Neugier der Bauersfrau. Es war merkwürdig, dass sich jemand mit ihr unterhalten wollte – wann war so etwas das letzten Mal geschehen?
    „Nein, ich bin nur im Sommer unterwegs. Im Winter wohne ich in einer … in einer kleinen Hütte im Wald.“ Ihre Stimme klang ein wenig rau, und ihre Zunge fühlte sich ungelenk an: Ein aufmerksamer Zuhörer hätte wohl erkannt, dass sie nach langer Zeit zum ersten Mal wieder sprach.
    „Das kann ich mir kaum vorstellen: allein im Wald zu leben! Möchtest du nicht auch heiraten und in einem ordentlichen Haus wohnen, mit deinen Kindern?“, plauderte die Frau unbekümmert weiter. Fast hätte Reeva gelacht: Sie als Ehefrau eines Bauern? Wo sie doch schon ungläubige Freude verspürte, wenn sich jemand mit ihr unterhielt – doch eigentlich war es nicht zum Lachen.
    „Es tut mir leid, aber ich muss jetzt weiter. Auch in den anderen Häusern gibt es Kranke“, murmelte sie und legte den Säugling in die Arme seiner Mutter zurück.
    „Warte, du musst auf jeden Fall einen Lohn für deine Arbeit nehmen. Hier, das habe ich heute gebacken! Und nimm noch ein paar Eier mit. Ich danke dir! Leb wohl, und wenn du im nächsten Jahr wieder vorbeikommst …“
     
    ***
     
    Tage und Patienten kamen und gingen. Reeva vermochte nicht zu sagen, wie viele Dörfer sie schon besucht, wie viele Arzneien sie zubereitet, wie viele Knochenbrüche, Verbrennungen und Ausschläge sie behandelt hatte. Es gab nur eines, was sie bei ihrer Tätigkeit aus dem Gleichgewicht bringen konnte:
    Einmal beugte sich eine alte Frau vertraulich nahe zu Reevas Ohr, als diese gerade eine Schürfwunde an der verrunzelten Hand der Patientin versorgte. Mit verschwörerisch gesenkter Stimme zischelte sie dem Mädchen zu: „Höre, Heilerin! Mein Sohn möchte eine Frau heiraten, die er auf einem Dorffest kennengelernt hat. Doch ich frage mich, ob er eine gute Wahl getroffen hat! Kannst du nicht in die Zukunft blicken und mir sagen, ob sie ihm gesunde Söhne gebären wird?“
    Der Salbentiegel glitt aus Reevas Händen und zerschellte auf dem Boden. Das Mädchen versteifte sich. Heftig schüttelte es den Kopf und sagte gepresst: „Suche die Antwort auf deine Frage bei jemand anderem – eine derartige Gabe besitze ich nicht.“ Damit bückte sich Reeva, um die Scherben aufzulesen; als sie wieder aufblickte, war die Alte bereits verschwunden.
    Zum Glück kamen derlei Zwischenfälle nur selten vor. Sehr wenige Menschen stellten Reeva Fragen über die Zukunft, und bald erfuhr sie auch den Grund dafür: In Gesprächen mit Patienten hörte sie von einer Epidemie, der im Winter und Anfang des Frühlings viele Menschen zum Opfer gefallen waren. Reeva schloss daraus, dass das Misstrauen gegenüber Hexen – oder dem, was man so darunter verstand – deutlich gewachsen war, könnte schließlich ein Fluch der Auslöser dieser Krankheit gewesen sein. Obwohl sie froh war, dass ihr deshalb Bitten um Hellsehen erspart blieben, war sich Reeva doch der Gefahr bewusst, in der sie schwebte. Aber sie hatte nicht vor, in irgendeiner Weise aufzufallen: Sie

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