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Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition)

Titel: Das Mädchen aus den Wäldern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Gembri
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hinab, bis sie auf dem Boden kauerte, die Knie mit den Armen umschlungen.
    Sie würde den Kranken verlieren. Er starb, und sie konnte es fühlen. Mühsam richtete sie sich auf, wankte wieder zum Bett hinüber und sah in das geschwollene Gesicht des Prinzen, das wie zum Hohn auf feinste Kissen gebettet war. Er war nun sehr ruhig, doch Reeva glaubte nicht, dass das an den Tränken lag, die sie ihm eingeflößt hatte.
    Wie hatte sie glauben können, dass von ihr die Hilfe kommen würde, die nicht einmal die Leibärzte eines zukünftigen Königs zu geben in der Lage waren? Warum hatte sie sich eingebildet, dass ein schmutziges Lumpenmädchen mehr von Heilpflanzen verstand als die Gelehrten? Das Kräuterwissen konnte nicht die Lösung sein. Darin war sie wohl kaum den Leibärzten überlegen … Was unterschied sie dann von den schreienden Quacksalbern auf dem Marktplatz und machte sie zu der Heilerin, die Enva in ihr gesehen hatte?
    Langsam lösten sich Reevas geballte Fäuste wieder. Schon einmal hatte sie sich diese Frage gestellt, als sie mit ihrem Wissen am Ende gewesen war. Schon einmal hatte sie auf das reglose Gesicht eines Jungen geblickt, dessen Geist bereits anfing, sich zurückzuziehen.
    Reeva streckte die Hand aus und berührte den heißen Arm des Kranken. Die Hitze des Fiebers vermischte sich mit der des Feuers, und irgendwo in dieser rotschwarzen Wärme verbarg sich das Ich des Prinzen. Beinahe hörte Reeva ein Zischen wie von Wasser auf einem heißen Stein, während sie sich einfach fallen ließ, schwer, hinein in das Glühen.
    Ein rotes Licht mit hellen Sprenkeln umgab sie, als ob sie durch geschlossene Lider in die Sonne schaute. Fast wollte sie schon die Hand heben, um ihr Gesicht von dem Blenden abzuschirmen, doch sie spürte diese nicht mehr – Reeva war völlig losgelöst von ihrem Körper.
    Plötzlich durchzuckte sie Angst: Sie wusste nicht weiter. Sie wusste nicht einmal, ob sie dem Prinzen überhaupt bis an den Ort folgen konnte, an dem er sich nun befand, und was passieren würde, wenn sie es versuchte. Doch in diesem Moment gab es für sie keine Wahl, kein Zögern. Sie ließ sich auf den Wellen des Fiebers davontragen, das in einem fremden Körper brannte, und suchte darin nach dem Prinzen. Langsam wurde es kühler, als sie tiefer tauchte, und die hellen Sprenkel verschwanden. Tiefes Blutrot, Karminrot, Violett und Schwarz – und dann fühlte sie ihn. Sie hatte ihn gefunden. Ganz klein kauerte sein Ich in dem Winkel, in dem das Schwarz am dunkelsten war, und war schon dabei, zu verschwinden. Reeva streckte ihren Geist wie einen Fühler nach ihm aus und bekam ihn zu fassen. Sie war sich der Gefahr bewusst, und für einen Augenblick sah es so aus, als würde sie mit ihm zusammen in die Finsternis gerissen – doch dann gelang es ihr, den Prinzen mit sich zu ziehen. Während sie durch einen Wirbel aus Rot und Schwarz emportauchten, nahmen sie die Kühle mit. Ganz langsam kehrte das Gefühl in Reevas Körper zurück, je näher sie der Oberfläche kam, und Bilder aus der Wirklichkeit blitzten auf: das bleiche Gesicht auf den bestickten Kissen – der Duft nach Kräutern, Meisterwurz … und dann durchbrach sie mit dem Prinzen die Grenze.
    Reeva bemerkte, dass sie neben dem Bett kniete und nach vorne gefallen sein musste, denn ihr Kopf lag auf der weichen Decke. Ihre Hände hielten fest die des Prinzen umschlossen; nun lockerte sie den Griff und richtete sich auf. Nach der wirbelnden Hitze war es merkwürdig kalt in dem Zimmer, und Reeva erkannte verwundert, dass das Feuer ausgegangen war.
    Vorsichtig tastete sie nach dem Gesicht des Prinzen, fühlte seine Stirn: Das Fieber war gesunken. Sein Atem ging in tiefen, ruhigen Zügen.
     
    ***
     
    Als sich das erste blasse Licht mit dem Grau der Dämmerung vermischte, verließ Reeva das Gemach. Das Gesicht des schlafenden Prinzen zeugte immer noch von der Krankheit, die ihn quälte, doch seine Temperatur war nicht mehr gestiegen: Reeva wusste, dass er gesund werden würde. Auf dem Tisch ließ sie einige Arzneien zurück, die ihm dabei helfen sollten. Nach einem letzten Blick auf ihren Patienten öffnete sie leise die Tür und trat auf den Gang hinaus.
    Wie Joseph es vorausgesagt hatte, fand Reeva den Wächter schnarchend vor. In einer Hand hielt der Mann immer noch einen halbleeren Krug, und als das Mädchen sich zu ihm hinunterbeugte, konnte es seinen Alkoholatem riechen.
    Selbst zu dieser frühen Stunde waren schon einige Bedienstete auf den Beinen,

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