Das Mädchen aus Mantua
Überzeugung.
»Mitnichten«, sagte Gentile mild. »Es ist vielmehr die einzige vertretbare Lösung. Deiner Schwester ist damit gedient, und dem Kind ebenso. Vor allem aber der ganzen Familie, denn bedenke: Nach einer Heirat zwischen Chiara und Timoteo werden die Caliari gezwungen sein, von ihrer Feindseligkeit abzurücken.« Triumphierend hob er die Hände. »Dann sind wir nämlich eine Familie!« Barsch fügte er hinzu: »Ich verbiete dir, Timoteo Caliari zu töten. Du wirst ihn nicht einmal herausfordern. Stattdessen wirst du die Interessen deiner Familie berücksichtigen, vor allem die deiner Schwester. In ihrem Zustand braucht sie einen Gatten, mehr als alles andere. Und wir brauchen endlich ein Ende des Blutvergießens!«
Guido stand der Mund offen, er konnte es nicht fassen.
»Ich weiß, dass es dir schwerfällt, das auf Anhieb zu verstehen«, fuhr Gentile fort. »Du bist ein junger Hitzkopf, und dich zu prügeln scheint dir allemal wichtiger als vorausschauend die Zukunft zu planen. Aber wenn du diesem unheilvollen Drang heute nachgibst, wirst du damit nicht den Caliari, sondern allein den Bertolucci schweren Schaden zufügen.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, um seinen nächsten Worten mehr Wirkung zu verleihen. »Ganz Padua wird uns mit Häme und Spott übergießen, wenn eine Bertolucci mit dem Bastard eines Caliari niederkommt.«
Damit schien er zu Guido vorzudringen. Der Junge erbleichte sichtlich.
Gentile nickte zufrieden. »Ich sage es ja. Man muss nur eine Weile darüber nachdenken.« Er tätschelte seiner starr dasitzenden Nichte den Kopf. »Überlass nur alles mir. Ich werde die weiteren Schritte bedenken und dir dann mitteilen, was zu tun ist.« Zu seinem Neffen sagte er streng: »Und du hältst dich aus allem heraus! Sonst werde ich veranlassen, dass mein Bruder dir ein Offizierspatent besorgt, um deinem Müßiggang ein Ende zu setzen! Dann kannst du wie andere tatkräftige Burschen deines Alters künftig bei der Armee deine Streitlust unter Beweis stellen!«
Mit beschwingten Schritten verließ er den Raum.
Guido bebte vor Zorn und Demütigung. Er blickte seine Schwester aufgebracht an, dann stürmte er ebenfalls aus dem Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
Chiara holte tief Luft, dann heulte sie erneut los. Sie warf sich aufs Bett und vergrub den Kopf in den Kissen, doch ihr Schluchzen wurde dadurch kaum gedämpft.
»Chiara, durch diese Lüge machst du doch alles noch viel schlimmer!«, sagte Celestina beschwörend. »Sprich mit mir darüber! Wir werden eine andere Lösung finden!«
Celestina redete mit Engelszungen auf das Mädchen ein, doch alles, was sie damit erreichte, war noch mehr Geheul. Schließlich gab sie es auf und ließ ihre Cousine allein.
»Ich verstehe nicht, warum du dich so aufregst«, sagte Arcangela.
»Es ist Betrug!«
»Na und? Was soll’s, wenn am Ende nur Gutes dabei herauskommt? Timoteo liebt diese dumme blonde Gans doch, er wird überglücklich sein, sie zur Frau zu bekommen. Wem schadet es, wenn das Kind zwei Monate früher geboren wird als erwartet? Er wird es sicher gernhaben. Und sie wird Timoteo auch bald lieben, davon bin ich überzeugt. Galeazzo sagte einmal zu mir, dass Timoteo der großherzigste, feinste Kerl sei, den man sich nur vorstellen könne. Jedenfalls waren das seine Worte, und er muss es wissen, denn Timoteo ist sein bester Freund. Onkel Gentile hat recht. Es ist wirklich die perfekte Lösung.«
Celestina fühlte, wie ihr die Argumente ausgingen. »Wie kann ein Betrug eine Lösung sein?« Sie merkte selbst, dass ihr Einwand nicht gerade stichhaltig klang.
Arcangela fand dann auch augenblicklich die Schwachstelle. »Oh, da fallen mir so einige Gründe ein. Nimm nur dich. Du machst aller Welt vor, ein Mann zu sein. Ein Betrug reinsten Wassers, aber zugleich für dich und deine Pläne die beste Lösung.«
Celestina schwieg erbittert. Was hätte sie auch sagen sollen?
Arcangela bemerkte ihre Verstimmtheit. »Nun ja, man muss natürlich noch unterscheiden zwischen böswilligem Betrug und solchem, der aus der Not geboren ist. Letzterer ist weit weniger schlimm, das ist klar.« Großmütig setzte sie hinzu: »Deine Verkleidung fällt selbstverständlich in die zweite Kategorie.« Sie drehte sich um ihre Achse. »Schau mal, sieht es so besser aus? Oder so?«
Sie hatte sich ein neues Seidentuch gekauft und stand vor dem Spiegel, wo sie es in allen erdenklichen Variationen um ihre Schultern, den Kopf oder die Hüfte drapierte. Ihr
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