Das Mädchen aus Mantua
am Repetitorium teilgenommen hatte. Die zwei hatten sie ein Stück des Wegs begleitet, um sicherzustellen, dass Baldo ihrer nicht habhaft werden konnte. Man müsse den Kerl unbedingt ernst nehmen, hatte Galeazzo grimmig gemeint. Erst vor ein paar Tagen seien drei Anfänger aufs Übelste traktiert worden. Von vermummten Kerlen seien sie bei Nacht auf die Gasse hinausgezerrt und zum Fluss getrieben worden, wo sie mit vorgehaltener Pistole gezwungen wurden, sich nackt auszuziehen, ins Wasser zu waten und zu schwimmen. Einer der drei war fast ertrunken, er lag mit einer Lungenentzündung im Bett, es sah böse aus. Keine Frage, dass Baldo und seine sauberen Freunde dahintersteckten.
Beim Tomba di Antenore verabschiedeten sich Galeazzo und William von Celestina. Sie bedankte sich nochmals bei den beiden. Während sie weiterging, kam ihr in den Sinn, ob sie wohl als Frau in Frauenkleidung solche Freundschaften zu Männern hätte pflegen können. Kameradschaft, so wie sie sie mit William und Galeazzo erlebte, hatte sie bisher nicht gekannt. Die beiden behandelten sie wie ihresgleichen, nicht wie eine Dame, was Celestina auf ungewohnte Weise als wohltuend empfand.
Mit Arcangela war es anders. Sie und ihre Stiefschwester verband zwar ebenfalls eine tiefe Freundschaft, doch Frauen, so fand sie, benahmen sich untereinander anders als Männer. Das herzliche und bisweilen auch raue Geplänkel, mit dem Timoteo, Galeazzo und William ihr Beisammensein würzten, war nicht zu vergleichen mit den Gesprächen, die sie und Arcangela miteinander führten.
Im Grunde war es ein Jammer, dass man nicht beides haben konnte.
Sie erschrak, als sich aus dem Schatten der Gasse neben dem Spital eine Gestalt löste und auf sie zutrat; einen Augenblick lang dachte sie, es sei Baldo, obwohl sie vor ihm das Universitätsgebäude verlassen hatte.
Dann erkannte sie Timoteo und atmete auf, doch ihre Erleichterung verflog sofort, als sie seine ausdruckslose Miene bemerkte. So sah er immer aus, wenn ihm etwas furchtbar gegen den Strich ging. Hieronimo hatte ihm von dem gestrigen Besuch erzählt!
Verzagt blickte Celestina ihm entgegen. »Ich kann das erklären!«, sagte sie.
»Das kannst du«, stimmte er mit kalter Stimme zu. »Mein Pferd ist beim Stadttor unterhalb der Basilika angebunden, wir reiten gleich hinaus.«
»Ich kann nicht mit dir zu der Hütte reiten«, protestierte sie. »Die meinen werden sich Sorgen machen!« Sie besann sich. »Nun ja, nicht alle. Eigentlich keiner. Außer Arcangela. Aber die auf jeden Fall.«
»Ich habe ihr eine Nachricht zukommen lassen, dass es spät wird«, informierte er sie.
»Oh.«
Er marschierte mit Riesenschritten los, und sie beeilte sich, ihm zu folgen. Obwohl sie fast rannte, fiel es ihr schwer, mit ihm Schritt zu halten.
»Dein Bein wird dir wieder wehtun, wenn du so schnell läufst!«
Ihr Hinweis verhallte ungehört. Er blickte stur geradeaus.
»Timoteo, so warte doch!«
Doch er dachte gar nicht daran. Mit langen Schritten ging er voraus, während sie gezwungenermaßen hinterdrein trabte und sich dabei albern und gedemütigt vorkam. Gut, er war wütend, das war sein Recht, aber musste er sich so kindisch benehmen?
Sie gingen die Via San Francesco entlang, an der Rückseite der Basilika del Santo vorbei und dann ein Stück die Stadtmauer entlang bis zum nächsten Wachturm. Die ganze Zeit über sagte Timoteo kein einziges Wort, obwohl sie mehrfach versuchte, ihm alles zu erklären. Schließlich gab sie es auf und trottete einfach hinter ihm her, den Blick auf seinen unversöhnlich steifen Rücken gerichtet. Wenigstens rannte er nicht mehr so; er merkte wohl doch, dass er seinem Bein damit mehr zusetzte als ihr.
Das Pferd hatte er unweit des Torbogens angebunden; er warf dem Jungen, der es bewacht hatte, eine Münze zu, bevor er aufstieg und die Hand ausstreckte. »Komm.«
Zögernd nahm sie seine Hand und unterdrückte einen Aufschrei, denn er zog sie mit deutlich mehr Schwung, als sie erwartet hatte, vor sich in den Sattel. Sonderlich bequem war es nicht, der Knauf bohrte sich in ihre Weichteile, und von hinten drückte sich eine harte Gürtelschnalle in ihren Rücken, und als er das Pferd durch den Torbogen aus der Stadt hinaustrieb und es kurze Zeit später mit einem Schnalzen in Trab versetzte, machte ihr Allerwertester auf nicht sehr angenehme Weise Bekanntschaft mit dem harten Leder des Sattels. Ihre Wangen brannten, weil ihr ein scharfer Wind ins Gesicht fuhr, und auch ihre Beine bekamen
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