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Das Mädchen aus Mantua

Das Mädchen aus Mantua

Titel: Das Mädchen aus Mantua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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sie schadenfroh an. »Was musst du auch im Weg herumstehen, Milchgesicht!« Höhnisch trat er dicht an sie heran und blies ihr seinen Atem ins Gesicht. Sie roch den Wein, den er zum Frühstück getrunken hatte, ebenso das Sandelholz, mit dem er seine Kleidung parfümierte, so wie es Herren von Stand zu tun pflegten. »Na, wo ist denn dein sodomitischer Freund Timoteo? Ausnahmsweise nicht in der Nähe, um ein Auge auf dich zu haben?«
    Hinter ihm drängten sich zwei seiner Freunde, ebenso belustigt von der Situation wie er selbst. Grinsend warteten sie auf weitere Sprüche ihres Vorbilds.
    Baldo schubste sie erneut, diesmal stärker. Sie stolperte rückwärts und stieß mit Kopf und Schultern gegen eine Säule. Beinahe rutschte ihr die Kappe herunter, sie konnte sie gerade noch festhalten. Baldo nutzte die Gelegenheit und verpasste ihr einen Hieb in den Magen. Er schlug nicht allzu hart zu, doch es traf sie unvorbereitet, sodass ihr die Luft wegblieb. Keuchend bog sie sich vornüber, während Baldo und seine Kumpane in Gelächter ausbrachen.
    »Seht euch diesen Schwächling an!«
    »Was für eine Memme!«
    »Kaum mehr Kraft als ein kleines Mädchen!«
    »Verpass ihm noch eins, Baldo!«
    Baldo trat dicht vor sie hin und bohrte ihr den Zeigefinger in die Brust. Sie hielt entsetzt die Luft an. Rutschte die Leinenbinde? War er auf eine verräterische Schwellung getroffen?
    Doch sein Gesichtsausdruck blieb unverändert. Er grinste sie an. Seine Zähne waren gepflegt und sauber, er hielt auf sein Äußeres. »Mein hübscher kleiner Marino, hast du Angst vor mir? Das solltest du! Denn weißt du was? Es wird höchste Zeit für deine Einführung! Alle hier müssen das mitmachen, wenn sie richtige Scholaren sein wollen. Wer sich drückt, hat an der Universität keine Daseinsberechtigung. Das ist dir doch klar, oder?« Er beugte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: »Wenn es dunkel ist, kommen wir dich holen, kleiner Marino. Dann zeigen wir dir, was wahre Männer können! Jetzt aber …« Entschlossenheit trat in seine Miene, und er drängte sie noch härter gegen die Säule. Die Glocke läutete zum Beginn der nächsten Vorlesung, doch er ignorierte es. »Jetzt zahle ich dir heim, dass du mir in die Eier getreten hast. Auge um Auge.« Er lachte. »Ei um Ei!«
    Er hob das Knie, zweifelsohne, um es ihr zwischen die Beine zu stoßen, doch im letzten Moment wurde er zur Seite geschubst. William stand dort, das sanfte Gesicht zornrot, die Fäuste geballt. Neben ihm hatte Galeazzo Stellung bezogen, die Hand am Dolch. »Willst du Streit?«, fragte er mit seidenweicher Stimme. In seinen Augen leuchtete die Mordlust.
    Baldo erkannte es und zog es angesichts dieser kompromisslosen Entschlossenheit vor zurückzuweichen. Auch seine Kumpane hatten bereits das Feld geräumt und sich in Richtung Vorlesungssaal verdrückt.
    »Gib nur acht, da Ponte«, höhnte er, während er sich rückwärtsgehend entfernte. »Sonst könnte es dir passieren, dass du wieder im Fass landest!«
    »Und dir könnte es passieren, dass du auf Gianbattistas Tisch landest«, erklärte Galeazzo mit unbewegter Miene. »Wenn ich dir erst das Gesicht weggeschnitten habe, kennt dich keiner mehr. Und du weißt ja, was mit ruchlosen unbekannten Leichen hier geschieht.«
    Baldo erbleichte sichtlich, er wich weiter zurück. Ohne ein Wort drehte er sich schließlich um und ging davon.
    »Das war knapp«, sagte William. Dem friedfertigen Engländer war anzusehen, wie nahe ihm dieser Vorfall ging. »Es ist nicht richtig, Madonna«, sagte er leise.
    Celestina wusste, was er meinte. Er wollte ihr keine Vorschriften machen oder ihr zu verstehen geben, dass sie als Frau minderwertig sei oder nicht fähig, dieselben Wissenschaften zu studieren wie er. Er wollte ihr nur behutsam mitteilen, dass sie sich in Gefahr brachte und anderen dafür die Verantwortung aufbürdete.
    Betreten nickte sie und zog ihre Kleidung zurecht. »Danke, William«, sagte sie. »Und dir auch, Galeazzo.«
    »Immer gerne«, gab Galeazzo zurück. Er deutete zur Tür des Vorlesungssaals. »Theoretische Anatomie bei Fabrizio. Wollen wir?«
    Zu dritt gingen sie hinüber. Als sie auf der hinteren Bank nebeneinander ihre Plätze einnahmen, taten sie so, als sei nichts geschehen.

Am Nachmittag desselben Tages
    Timoteo fing sie ab, als sie zum Spital ging, wo sie sich wie üblich umziehen wollte. Sie war erschöpft, nachdem sie die Mittagszeit über den Büchern verbracht und danach gemeinsam mit Galeazzo und William

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