Das Mädchen aus Mantua
geworden.«
»Hm, das ist ihr schon einmal passiert, vorigen Monat erst, auf dem Weg zur Kirche.«
»Mädchen in ihrem Alter und von ihrem zarten Körperbau neigen häufig zu Schwächeanfällen.« Celestina klapste ihrer Cousine auf beide Wangen, worauf Chiara leise stöhnend zu sich kam.
»Kann ich helfen?«, fragte Gentile. »Soll ich sie hinauf in ihr Zimmer tragen?«
»Meinst du, dass du das schaffst?«
Gentile verzog beleidigt das Gesicht. »Hältst du mich für einen Tattergreis, oder warum stellst du eine so überflüssige Frage?«
Celestina räusperte sich entschuldigend. »Das war dumm von mir. Es wäre wirklich gut, wenn du sie zu Bett bringen könntest.«
Er hob seine Nichte so schwungvoll vom Boden auf, als wöge sie nichts, aber als er sich wieder aufrichtete, knackten seine Knie vernehmlich, und auf dem Weg nach oben ließ er mehrmals ein leises Ächzen hören.
Chiara hatte inzwischen vollends das Bewusstsein wiedererlangt, doch sie protestierte nicht, als ihr Onkel sie bis zu ihrem Zimmer trug und sie sanft auf dem Bett ablegte.
»Geht es wieder?«, fragte er.
Sie nickte leidend.
»Ich kümmere mich um sie«, sagte Celestina. »Du kannst ruhig gehen. Vielen Dank.«
»Soll ich den Arzt rufen lassen?«
»Nein, nicht nötig«, widersprachen Celestina und Chiara wie aus einem Mund. Celestina warf ihrer Cousine einen raschen Blick zu und bemerkte die feine Röte, die dem Mädchen in die Wangen gestiegen war.
Sie wartete, bis Gentile das Zimmer verlassen hatte, dann wandte sie sich forschend zu Chiara um.
»Weiß es irgendjemand?«
»Was denn?«, fragte Chiara ängstlich zurück.
»Dass du ein Kind erwartest.«
Der Anflug von Farbe, der vorhin noch Chiaras Wangen gerötet hatte, verflog. »Was sagst du da? Wie kannst du so etwas Schreckliches behaupten!«
»Na ja, es gibt gewisse Anzeichen, und ich habe ein wenig Erfahrung darin, sie zu erkennen. Nicht zuletzt, weil ich sie am eigenen Leib erlebt habe.«
»Du … hast ein Kind?«
»Hat es dir deine Mutter nicht erzählt?«
Chiara schüttelte den Kopf. »Wo ist es?«
»Es kam tot zur Welt«, sagte Celestina knapp.
»Oh.« Chiara versuchte, sich aufzusetzen, fiel aber schwach wieder zurück und legte sich die Hand über die Augen. »Geh hinaus und lass mich allein.«
»Davon wird dein Problem nicht kleiner.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Es gibt keine Anzeichen . Ich kenne mehrere Mädchen in meinem Alter, die schon in Ohnmacht gefallen sind. Manchmal habe ich es sogar selbst gesehen.«
»Es ist nicht nur das. Ich habe eben beim Öffnen deines Kleides einen Blick auf deinen Busen getan. Dir kann nicht entgangen sein, dass er sich verändert hat. Er ist deutlich praller als sonst, und die Warzenhöfe sind um einiges dunkler, nicht wahr? Und wenn mich nicht alles täuscht, habe ich dich dieser Tage frühmorgens, als alle anderen noch schliefen, in den Garten schleichen sehen, mit einem Eimer. Du hattest dich übergeben, stimmt’s?«
»Du leidest an Phantasievorstellungen«, sagte Chiara bockig.
»Seit wann ist deine Monatsblutung ausgeblieben?«
»Überhaupt nicht.«
Celestina seufzte. »Wem willst du denn etwas vormachen? Dir selbst? Was glaubst du, wie lange es dauert, bis alle Welt es sehen kann? Was willst du dann unternehmen?«
»Heiraten!«, rief Chiara emphatisch aus. »Ich werde ihn zum Mann nehmen!«
»Wen? Timoteo Caliari?«
»Nein, den doch nicht!«
Celestina fragte sich irritiert, wieso diese Antwort sie erleichterte, denn zur Lösung von Chiaras Schwierigkeiten trug das Ausscheiden eines Ehekandidaten gewiss nicht bei.
»Wer ist denn dann der Vater?«
Doch Chiara gab sich verstockt. »Es gibt keinen Vater, denn es gibt kein Kind.«
»Auf Dauer darfst du dich nicht den Tatsachen verschließen«, beschwor Celestina das Mädchen. »Manche Dinge kann man nicht geheim halten!« Sie merkte, wie sie errötete. In solchen Fragen war sie nicht gerade die beste Ratgeberin. Aber immerhin, so tröstete sie sich, besaß sie noch genug Skrupel, deswegen verlegen zu werden.
»Du kannst dich jederzeit an mich wenden, falls du Hilfe brauchst«, schloss sie aufmunternd.
»Du kannst mir einen großen Gefallen tun.«
»Welchen?«
»Lass mich allein.«
Es blieb Celestina nichts übrig, als sich zu fügen. Aus ihren ursprünglichen Plänen, den Rest des Tages mit dem Studium ihrer Lehrbücher zu verbringen, wurde jedoch nichts, denn kaum hatte sie das Zimmer ihrer Cousine verlassen, rief Marta nach ihr. Ihre Tante
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