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Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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verlegenen Lächeln schon wieder fortziehen wollte. Benedetta drückte die Hand so stark, dass sie Giuditta fast die Nägel in die Haut trieb. Komm, Fluch, erfülle dich!, dachte Benedetta. Erst dann ließ sie die Hand wieder los.
    Giuditta fühlte sich unbehaglich. Die Frau jagte ihr Angst ein, und ihr hinter dem Schleier verborgenes Gesicht schien sie merkwürdig durchdringend zu beobachten.
    »Unsere Giuditta hier hat ihren Laden selbst noch nicht gesehen …«, fuhr Octavia fort.
    Benedetta blickte zu dem Ladenschild auf, einem Schmetterling aus Holz mit einem Schriftzug über den Flügeln. »Psyche«, las sie.
    »… deswegen zeigen wir ihn jetzt ihr und Ihnen gemeinsam, edle Dame«, lachte Octavia.
    »Ich bin wegen der Kleider hier, nicht wegen des Ladens«, erwiderte Benedetta knapp. »Wartet hier draußen auf mich«, wies sie ihre beiden Diener an und trat ein, nachdem sie noch einen Blick auf das Gewand im Schaufenster geworfen und kühl bemerkt hatte: »Hübsch.«
    »Unsere erste Kundin«, flüsterte Octavia Giuditta aufgeregt zu, ehe sie ebenfalls hineinging.
    »Octavia …«, versuchte Giuditta sie aufzuhalten, weil sie das beklemmende Gefühl nicht loswurde.
    Doch Octavia war bereits hinter der Dame im Laden verschwunden. »Seht Ihr? Ein zartes Salbeigrün an den Wänden. Und Lavendelblau im Umkleideraum mit der Schneiderei.« Sie wirbelte einmal um die eigene Achse. »Alles ganz schlicht. Und wisst Ihr, warum? Weil die Kleider bunt sind. Darauf soll sich die Aufmerksamkeit der Kundinnen richten.«
    Benedetta antwortete nicht und ging auf eine Holzstange zu, an der einige Kleider hingen. »Sind die schon fertig?« Sie betrachtete sie genauer. »Aber hier fehlt ja noch eine Naht … und da auch …«, sagte sie erstaunt.
    Octavia lächelte übers ganze Gesicht. »Edle Dame, das ist ja gerade das Geheimnis unserer Modelle!«, rief sie aus.
    »Was, dass die Nähte nicht geschlossen sind?«, fragte Benedetta sarkastisch.
    Octavia drehte sich zu Giuditta um. »Nur zu, erklär du es der Dame.«
    Giuditta rührte sich nicht.
    »Ja, nur zu, erklärt mir diesen seltsamen Umstand«, forderte Benedetta sie auf.
    »Also …«, begann Giuditta stockend, »unsere Kleider unterscheiden sich nach Modell, Farbe und … Größe.«
    »Größe?«, fragte Benedetta überrascht.
    »Größe!«, bestätigte Octavia.
    Giuditta versuchte, ihr Unbehagen beiseitezuschieben. Mit einem stolzen Lächeln zeigte sie auf die ausgestellten Kleider. Der Laden sah genauso aus, wie sie ihn sich erträumt hatte. Für einen Moment vergaß sie tatsächlich die verschleierte Dame und das merkwürdige Gefühl, das sie bei ihrem Anblick empfand. Sie konzentrierte sich allein auf das, was sie sah: auf ihren Traum, den Octavia und Ariel Bar Zadok liebevoll bis ins kleinste Detail umgesetzt hatten. »Ja, ganz genau. Sie sind von unterschiedlicher Größe«, wiederholte sie voller Stolz. »Ich habe mir fünf verschiedene Körpermaße ausgedacht, die mit denen der meisten Frauen übereinstimmen müssten. Und nach diesen Größen schneidern wir unsere Kleider …«
    »Aber sie sitzen doch nicht richtig, wenn sie nicht genau nach Maß geschneidert werden …«, warf Benedetta ein.
    »Das stimmt«, gab Giuditta ihr recht. »Aber die Modelle sind noch nicht endgültig, wir passen sie noch an. Wir haben die Möglichkeit für kleine, aber wichtige Änderungen offen gelassen. Was Ihr gerade als fehlende Naht bezeichnet habt, ist in Wirklichkeit der Saum, mit dem wir das Kleid ein wenig enger oder weiter, etwas länger oder kürzer machen können, und zwar überall, unten am Rocksaum, hier am Mieder, an den Ärmeln oder beim Ausschnitt. Doch das Grundmodell ist schon fertig.«
    »Und warum?«, fragte Benedetta, der allmählich klar wurde, dass Giudittas Idee großartig war und sich mit ihr eine Menge Geld verdienen ließ. Zu ihrem Hass gesellte sich nun auch noch Neid, und ihr Wunsch, der Jüdin zu schaden, wurde umso brennender.
    »Also«, begann Giuditta nun voll Eifer ihre Idee zu schildern, »wenn ich in den Laden einer Schneiderin gehe, dann zeigt man mir verschiedene Modelle, die oft sogar nur als Zeichnungen existieren. Dann zeigt man mir verschiedene Stoffe, die angehalten werden, sodass ich sehen kann, ob mir die Farbe und das Material stehen. Mehr nicht. Und wenn ich dann den Laden verlasse, weiß ich nicht, ob mir das Kleid auch wirklich stehen wird. Und zum anderen quält mich die Ungeduld, wann es wohl fertig ist. Meint Ihr nicht auch?«
    »Ja

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