Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest

Titel: Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John D. MacDonald
Vom Netzwerk:
herrschte Schweigen. Der Türöffner wurde nicht betätigt. Er drückte wahllos auf alle Klingeln. Der Türöffner summte, er stieß die Tür auf und betrat den kleinen Hausflur. Der Fahrstuhl war besetzt. Er stieg zwei Treppen hoch, fand ihr Appartement am Ende des Korridors und trommelte mit der Faust an die Tür.
    »Verschwinden Sie!« schrie sie.
    Er trommelte weiter. Am anderen Ende des Korridors ging eine Tür auf. Eine Frau starrte ihn an. Er grinste wie ein Irrer, und sie zog sich in ihre Wohnung zurück.
    Schließlich wurde die Tür aufgerissen. Wilma Farnham wollte ihm den Weg verstellen, aber er drängte sich grob an ihr vorbei, drehte sich um und schloß die Tür.
    »Wie können Sie es wagen!«
    »Es gibt ziemlich aufregende Neuigkeiten, Wilma!«
    »Sie sind stockbesoffen!«
    »Ich bin stocksauer. Sie setzen sich jetzt, halten den Mund und hören mir zu!« Er faßte sie an den Schultern und schob sie rückwärts bis zur Couch. Dort ließ er sie los. Sie schnappte vor Schreck und Zorn nach Luft und ließ sich fallen.
    »Sie können mir sagen, was Sie wollen, ich ...«
    »Halten Sie den Mund!« Er betrachtete sie. Sie trug einen formlosen Morgenmantel aus häßlichem braunen Frottee. Die braunen Haare fielen ihr auf die Schultern. Sie trug keine Brille, blinzelte ihn kurzsichtig an und verzog angewidert ihr kleines Gesicht. »Wieso, zum Teufel, glauben Sie, Sie hätten ein Monopol auf Loyalität, Tugend und Ehre, Wilma? Wieso sind Sie so verdammt schnell mit Ihren Urteilen über andere, ohne einen Beweis zu haben? Mit welchem Recht nehmen Sie an, daß Sie über mich oder meine Reaktion etwas wissen?«
    »Aber Sie haben sich immer irgendwie treiben lassen mit ...«
    »Halten Sie den Mund! Sie haben getan, was man Sie geheißen hat. Das ist gut. Herzlichen Glückwunsch. Deshalb sind Sie aber nicht einmalig. Auch ich tat, was man mich geheißen hat. Ich habe kein Wort gesagt.«
    Sie starrte ihn an. »Sie wollen mich wohl austricksen?«
    »So rufen Sie um Himmels willen einen von den hohen Tieren an und fragen Sie!«
    Sie blickte ihn zweifelnd an. »Kein Wort?«
    »Nichts.«
    »Aber die Anwälte haben mir gesagt, daß Sie alles erzählen würden. Sie meinten, das wäre Ihre einzige Chance. Sonst bekommen Sie nicht einen Pfennig aus der Hinterlassenschaft.«
    »Die Anwälte haben mich genauso falsch eingeschätzt wie Sie.«
    »Haben Sie tatsächlich nichts gesagt? Haben Sie sich einfach geweigert zu antworten?«
    »Ich war noch besser. Ich habe ihnen etwas erzählt, das sie einfach nicht akzeptieren konnten; sie konnten es unmöglich glauben.«
    »Was?«
    »Ich habe ihnen erzählt, daß ich alles verschenkt habe.«
    Sie riß die Augen auf. »Aber das ... das ...«
    Sie begann zu kichern. Er hätte nie gedacht, daß sie so mädchenhafte Töne von sich geben konnte. Dann brach sie in schallendes Gelächter aus, und er lachte mit. Sie gackerte vor Lachen, Tränen rannen über ihr kleines Gesicht, und plötzlich bemerkte er, daß sich ihr Lachen in Schluchzen verwandelt hatte; sie zitterte vor Kummer und Schmerz.
    Er trat zu ihr und setzte sich neben sie. Dankbar warf sie sich in seine Arme, barg den Kopf an seinem Hals, schnaubte und schniefte, und bei jedem Schluchzen zuckte ihr schmaler Körper krampfhaft. Ab und zu verstand er ein paar Worte. »Entschuldigung ... ganz allein ... schäme mich ... nicht so gemeint ...«
    Er hielt sie in den Armen und streichelte sie. »Schon gut, schon gut.«
    Schließlich beruhigte sie sich. Ihm fiel auf, wie frisch und sauber ihre Haare dufteten, wie weich und warm sie sich an ihn schmiegte und wie sich die angenehmen Rundungen unter dem langweiligen Hauskleid zart an ihn preßten. Ab und zu schluchzte sie noch. Unvermutet versteifte sie sich, fuhr hoch und floh an das andere Ende der Couch.
    »Kommen Sie nicht näher! Rühren Sie mich ja nicht an, Sie Scheißkerl!«
    »Wilma!«
    »Ich weiß alles über Sie. Die anderen legen sich vielleicht sofort auf den Rücken, aber ich nicht!«
    »Verdammt noch mal!«
    »Ha! Stellen Sie sich nicht so unschuldig, Kirby Winter! Ich bin froh, daß Sie Ihrem Onkel gegenüber loyal geblieben sind, aber deshalb muß ich die anderen Dinge, die Sie tun, nicht respektieren.
    Ich weiß, was sie mit den Besprechungen in dem schmutzigen Hotelzimmer beabsichtigt haben. Wir wußten beide, worauf Sie aus waren, nicht wahr? Deshalb war ich stets auf der Hut. Wenn ich Ihnen nur die geringste Gelegenheit gegeben hätte, wären Sie wie ein Verrückter über

Weitere Kostenlose Bücher