Das Mädchen, die goldene Uhr und der ganze Rest
mich hergefallen.«
»Was?«
»Ich blieb stets auf der Hut. Ich hatte nicht die Absicht, Ihr Spielzeug in Miami zu werden, Mr. Winter. Sie haben genügend Spielgefährtinnen auf der ganzen Welt. Ich hatte immer schreckliche Angst, wenn ich in dieses Zimmer ging. Wie Sie mich angesehen haben! Ich habe Gott gedankt, ja, gedankt, Mr. Winter, daß ich so unauffällig bin und Sie daher kaum die Beherrschung verlieren würden. Wenn ich in dieses Zimmer kam, richtete ich mich noch unauffälliger her. Jetzt, da alles vorüber ist, kann ich Ihnen noch etwas sagen, das mich krank vor Scham macht. Trotz meiner Angst und meiner Verachtung ertappte ich mich manchmal bei dem Wunsch, daß Sie sich auf mich stürzen würden.«
»Auf Sie stürzen! «
»Das war der Teufel in meinem Herzen, Mr. Winter. Es war Fleischeslust, das verrückte Verlangen, mich zu erniedrigen. Aber ich habe ihm nie nachgegeben und Sie nie ermutigt.«
»Wir haben doch in diesem Zimmer nur dagesessen und sind die Berichte durchgegangen ...«
»Dem äußeren Anschein nach. Aber die vielen ungesagten Dinge, der innere Aufruhr und auch die Spannung, die dahinterstanden, was war damit, Mr. Winter?«
Er hob die rechte Hand. »Ich schwöre bei Gott, Miss Farnham, daß ich nie, nicht einen einzigen Augenblick, das leiseste Verlangen verspürte, Sie ...«
Er hielt unvermittelt inne. Er sah die sterile Wohnung, das unscheinbare Mädchen, ihren Gesichtsausdruck, als sie begriff, was für ein entsetzlicher Schlag ihrem Stolz bevorstand. Das konnte er ihr nicht antun, auch wenn sie vielleicht ein wenig verrückt war.
Er ließ die Hand unvermittelt sinken und blinzelte sie schalkhaft an. »Damit komme ich wahrscheinlich nicht durch, was?«
»Wie bitte?«
Er blinzelte nochmals. »He, Baby, ich habe Sie beobachtet, wenn Sie beim Gehen mit ihrem kleinen, runden Hintern so entzückend hin und her gewackelt haben. Da habe ich Sie mir immer ohne Brille und ohne diese schrecklichen Großmutterkleider, dafür mit schick auffrisierten Haaren vorgestellt; wenn ich Ihnen einen Drink verpaßt hätte, dann wären Sie scharf wie eine Pistolenkugel gewesen.«
»S-sie schmutzige Bestie!«
Er zuckte die Achseln. »Aber wie Sie eben gesagt haben, Süße, Sie haben mir nie einen Ansatzpunkt gegeben. Sie haben nicht die kleinste Andeutung gemacht.«
Mit einem Satz stürzte sie von der Couch zur Tür am anderen Ende des Zimmers, wirbelte herum und starrte ihn an. Ihr Gesicht war blaß, der Mund zitterte. »W-wenn«, flüsterte sie, »wenn ich mir auch nichts anmerken ließ - warum, um Himmels willen, haben Sie nichts unternommen?«
In der knisternden Stille suchte er nach der richtigen Antwort, sah sich aber jedoch mit der schrecklichen Wahrheit konfrontiert und wollte ihr nicht mehr ausweichen. »Weil - ich Angst vor Frauen habe. Ich versuche, es zu verbergen, aber Frauen jagen mir Angst ein.«
Sie sah ihn ungläubig an und machte einen kleinen Schritt auf ihn zu. »Aber Sie sind so ... so höflich und so ...«
»Alles nur Theater, Wilma. Ich renne jedesmal davon wie ein Hase.«
Sie biß sich auf die Lippe. »Ich ... habe nicht oft Gelegenheit gehabt davonzulaufen. Aber im geeigneten Augenblick laufe ich auch davon wie ein Hase. Aber Sie!«
»Sie sind die erste, der ich es erzähle.«
Plötzlich begann sie zu lachen, aber er konnte nicht mitlachen. Ihr Lachen wurde wieder hysterisch.
»Nein, nicht schon wieder! Bitte!« rief er.
Sie kreischte vor Lachen, drehte sich um, stürzte aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu. Er hörte sie im Nebenraum herumtrampeln; es klang wie eine Viehherde im Sumpf. Er ging langsam auf und ab, bis das Geräusch verebbte. Er setzte sich mit dem Rücken zur Schlafzimmertür auf einen Stuhl.
»Wilma!« rief er.
»Einen Augenblick«, antwortete sie, und ihre Stimme klang heiser vom Weinen.
Er zog die Golduhr heraus und blinzelte durch das kleine Fernrohr. Ein Schauer überlief ihn. Als er gerade das verschlungene Monogramm auf der Rückseite studierte, ging die Schlafzimmertür auf.
»Die hat er immer bei sich gehabt«, begann sie. »Immer.«
»Ich werde es ebenfalls tun. Ich werde eine Weste tragen oder sie am Gürtel befestigen.«
Sie stand hinter ihm und blickte ihm über die Schulter. Eine betäubende Wolke von Parfum hüllte ihn ein.
»Manchmal hat er durch das kleine Fernrohr geschaut und gelacht.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Einmal habe ich ihn danach gefragt. Er ließ mich nicht durchschauen. Ich verstehe die
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