Das Maedchen mit den Schmetterlingen
wenden uns an die Polizeiwache im Ort, die werden ihm Bescheid sagen.«
»Nein, bitte, bitte, lassen Sie mich nach Hause gehen. Sie verstehen das nicht!«
Die Krankenschwester lächelte mitfühlend und nickte ununterbrochen, ohne sich um die Proteste der armen Frau zu kümmern. Die Gehirnerschütterung war offenbar schlimmer, als der Arzt angenommen hatte. Maura wollte aufstehen, aber das ganze Zimmer fing an sich sie zu drehen. Sie spürte etwas Klebriges an ihrer Stirn, und als sie danach griff, fühlte sie einen dicken Verband über ihrem rechten Auge.
»Der Sturz. Eine üble Platzwunde, aber sie wird sauber verheilen, keine Sorge«, beschwichtigte die Krankenschwester freundlich.
Maura saß in der Falle. Als sie sich wieder in das gestärkte weiße Kissen sinken ließ, da wünschte sie, sie hätte es getan, sie wäre gesprungen und hätte der Sache ein Ende gemacht.
Noch am selben Abend erschien Michael Byrne auf der Krankenstation, mit zornrotem Gesicht. Er hatte den Transporter nicht in Gang gebracht und einen Nachbarn bitten müssen, ihn die weite Strecke zu fahren. Dr. Smith führte Michael an
Mauras Bett und deutete Mauras verängstigten Miene fälschlicherweise als Verwirrung.
»Nun, Mrs. Byrne, jetzt ist Ihr Mann ja endlich da. Sie können nach Hause gehen, wenn sie möchten, aber Sie müssen es ruhig angehen lassen. Ich habe Ihrem Mann bereits erklärt, dass sie sich unbedingt schonen müssen, ansonsten besteht die Gefahr einer Fehlgeburt. Aber jetzt erst einmal viel Glück und alles Gute.«
Mit hochrotem Kopf wandte Maura sich ab, vor Scham … und vor Angst. Sie brauchte ihren Mann nicht anzusehen, um zu wissen, dass sie in Árd Glen eine Tracht Prügel erwartete, die alle anderen in den Schatten stellte.
Schwerfällig wälzte Maura ihren grün und blau geschlagenen Körper aus dem Bett. Seán schrie, und sie wollte sich seiner annehmen, bevor Michael es tat. Während sie in ihren zerschlissenen Morgenmantel schlüpfte, betrachtete sie sich im Spiegel, den Michael während einer seiner Wutanfälle zerbrochen hatte. Leise schluchzend befühlte sie ihre aufgeplatzte Lippe. Beide Augen waren dick geschwollen und von dunkelblauen Blutergüssen umgeben. Nichts erinnerte mehr an die junge Frau, die sie noch vor zwei Jahren gewesen war. Maura hob Seán aus seinem Bettchen und drückte ihn an sich. Ein bohrender Schmerz durchfuhr sie, Michael hatte ihr heftige Rippenprellungen zugefügt, und jeder Atemzug entfachte den Schmerz aufs Neue. Sie trug das brüllende Kind in die Küche und fütterte es mit kaltem Haferbrei, während sie apathisch ins Leere starrte. Sie konnte Éamonns Ablehnung einfach nicht begreifen. Er liebte sie doch, oder etwa nicht? Er liebte ihr gemeinsames Kind. Warum sollte er sie also verstoßen? Er hatte ihr doch versprochen, dass sie eine Familie werden würden, in Dublin. Ihr Verstand weigerte sich, weiter nach Gründen
zu suchen, weigerte sich, Éamonn in einem anderen Licht zu sehen. Sie konnte die drohenden Schlussfolgerungen nicht ertragen, konnte den Gedanken nicht ertragen, dass sie eine Närrin gewesen war und er sie nur ausgenutzt hatte. Noch war sie nicht bereit, sich der bitteren Wahrheit zu stellen. Nur so viel war klar - jetzt, wo Michael von dem Baby wusste, konnte sie nichts mehr dagegen unternehemen. Insgeheim hatte sie gehofft, dass die Prügel von gestern Abend eine Fehlgeburt auslösten. Nachdem er sich ausgetobt hatte, hatte er sich über ihr aufgebaut und gesagt: »Das bleibt unser kleines Geheimnis. Du sprichst mit keiner Menschenseele darüber. Deine kleinen Ausflüge nach Dublin sind ab sofort gestrichen. Du verlässt dieses Haus nur mit meiner Erlaubnis, und das Gleiche gilt, wenn du Besuch empfangen willst. Und bis dein Gesicht wieder verheilt ist, kommt hier niemand ins Haus.«
Anfangs wunderte sich Maura, warum er die Sache geheim halten wollte, warum er sie nicht einfach verließ. Doch im Grunde genommen wusste sie, dass es immer um den Hof ging: Land, Land, Land. Und deshalb würde er bleiben. Aber mittlerweile dämmerte ihr, dass es noch einen anderen Grund dafür gab. Seit ihrer Heirat hatte er sie kein einziges Mal angerührt, sondern immer im anderen Zimmer geschlafen. Maura ahnte, dass Michael ebenfalls ein Geheimnis hütete, ein Geheimnis, dass ihn hinderte, sie oder irgendeine andere Frau jemals anzurühren. Es kam ihm sehr gelegen, über diese Angelegenheit den Mantel des Schweigens zu breiten. Würde ihr Ehebruch ruchbar, dann konnte
Weitere Kostenlose Bücher