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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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jetzt noch nicht kommen konnten. Aber Tess war der festen Überzeugung, dass das nicht stimmen konnte. Kate hatte versprochen, sie zu besuchen, und Kate hielt ihre Versprechen immer.
    Sie saß an ihrem Tisch in der Klinikschule und beobachtete aufmerksam, wie ein neues Mädchen hereingeführt und an den Nachbartisch gesetzt wurde, der meistens frei war, da niemand neben ihr sitzen wollte. Sie bemerkte die ungewöhnliche Haarfarbe des Mädchens, ein tiefes Rot, das ziemlich künstlich wirkte. Ein Ring steckte in ihrer Nase, und das hatte Tess noch nie gesehen. Sie hätte den Ring gerne angefasst und geprüft, wie er an der Nase befestigt war. Ob es wohl wehtat? Außerdem war das neue Mädchen erkältet und schniefte unablässig, was Tess veranlasste, es ihr nachzumachen.
    Es dauerte nicht lange, bis das Mädchen den Kopf hob und Tess wütend anstarrte.
    »Hast du ein Problem?«
    Tess gab keine Antwort.
    »Ich habe dich gefragt, ob du ein Problem hast?«
    »Die sagt nix!«, ließ sich eine Stimme von der anderen Seite des Klassenzimmers vernehmen. »Die is’ behindert! Die beißt bloß!«
    Die Lehrerin blickte auf und rief »Ruhe!«, bevor sie sich wieder ihrem Roman widmete, nicht ohne sich vorzunehmen, der Klasse im Anschluss noch mehr Stillarbeit aufzubrummen.
    »Bist du behindert?«, erkundigte sich das Mädchen. Mit einer Bekloppten wollte sie keinen Streit anfangen.

    Tess schrieb dem Mädchen keinen Zettel. Sie wusste nicht, was das Wort »behindert« bedeutete, also konnte sie auch die Frage nicht beantworten.
    Das neue Mädchen merkte, dass sie das Interesse der Mitschüler erregt hatte, und wollte die Gelegenheit nutzen, ihnen zu demonstrieren, dass mit ihr nicht zu spaßen war.
    »Na, dann pass auf, dass du mich nicht beißt, sonst kannst du was erleben«, zischte sie.
    Das ergab für Tess überhaupt keinen Sinn, sie stand auf und näherte sich dem Mädchen, das ein wenig zurückwich.
    Tess beugte sich vor und musterte den Nasenring, bevor sie vorsichtig mit dem Finger darüberstrich, um die Einstichstelle zu finden.
    »Was … was machst du da?«, wollte das verunsicherte Mädchen wissen.
    »Beiß sie doch einfach!«, rief eine Stimme vom anderen Ende. »Damit sie mal weiß, wie sich das anfühlt!«
    Die Lippen des Mädchens zitterten. »Nimm die Finger weg«, drohte sie, doch Tess, völlig im Bann des Rings, hörte nicht, beugte sich noch weiter vor und versuchte, den Ring aus der Nase zu ziehen.
    Das Mädchen schrie vor Schmerz auf.
    Die anderen verließen ihre Plätze und bildeten einen Kreis um die beiden.
    » Gib’s ihr, gib’s ihr, gib’s ihr! «, skandierten sie.
    Vom anderen Ende des Klassenzimmers rief die Lehrerin automatisch noch einmal »Ruhe!« und ließ sich durch das Getöse nicht weiter stören.
    Das Mädchen holte aus und beförderte die überraschte Tess mit einer Ohrfeige zurück in die Realität.
    Tess, die alles um sich herum vergessen hatte, konnte sich beim besten Willen nicht erklären, warum das neue Mädchen
sie geschlagen hatte. Sie packte die Hand der Angreiferin, biss einmal kräftig zu und brachte sich unter ihrem Tisch in Sicherheit. Das Mädchen schrie um Hilfe, während die anderen Kinder versuchten, Tess aus ihrem Versteck zu zerren. Die Lehrerin wusste, dass es mit ihrer Leseruhe endgültig vorbei war. Mit schnellen Schritten war sie bei Tess und packte sie am Arm. Tess wehrte sich, trat aus und zerkratzte jede Hand, die sie anfassen wollte, auch die der beiden Krankenschwestern, die, vom Lärm aufgescheucht, herbeigeilt waren. Schließlich musste man ihr ein Beruhigungsmittel geben und sie von einem Wärter zurück in ihr Einzelzimmer bringen lassen.

Kapitel 12
    1981
    S chon wieder klopfte es an der Haustür. Kate Byrne riss sie mit einem Ruck auf und schrie: »Lassen Sie uns in Ruhe!«, doch da stand nur eine kleine blonde Frau mit bleichem Gesicht auf ihrer Schwelle.
    »Kommen Sie von der Zeitung?«, erkundigte sich Kate gereizt.
    »Nein, ich bin Schwester O’Connell vom Gesundheitszentrum in Knockbeg. Ich würde gerne nach Teresa sehen.«
    »Wozu denn das?«, fuhr Kate sie an, unschlüssig, ob ihr dieser Besuch wirklich lieber war als ein Zeitungsreporter.
    »Dr. Cosgrove hat mich gebeten nachzusehen, wie sie sich eingewöhnt hat«, erwiderte die Schwester, ohne sich von dem unfreundlichen Empfang beeindrucken zu lassen.
    »Alles in Ordnung. Richten Sie ihm aus, dass alles in Ordnung ist«, erwiderte Kate nervös. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass die Klinik

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