Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Whiskey verpestete die Luft in dem stickigen kleinen Schlafzimmer. Maura setzte sich auf und starrte in die Dunkelheit, aus Furcht, dass er dem Kind etwas antun könnte. Sie wusste nicht, was er suchte, und hatte Angst, etwas zu sagen. Nach einer Weile ging er wieder hinaus, die Tür fiel krachend ins Schloss und weckte das schlafende Baby. Maura stand auf, um das erschrockene Kind aufzunehmen, und hörte, wie er seine Schlafzimmertür zuwarf und sich ins Bett fallen ließ.
Erleichtert schleppte sie sich unter Schmerzen in die Küche und kochte sich einen Tee. Während sie vor dem kalten Ofen saß, fiel ihr auf, dass sie heute noch kein einziges Mal an Éamonn gedacht hatte. Wie betäubt nippte sie an ihrem Tee
und starrte zum Küchenfenster hinaus in die Dunkelheit. An Flucht war nicht mehr zu denken. Sie hatte ihre Fehler gemacht, und jetzt musste sie den Preis dafür bezahlen. Morgen würde ihre Mutter Seán wieder zurückbringen, und sie würde ihr Leben der Aufgabe widmen, ihre beiden Kinder großzuziehen und sie, so gut es ging, vor dem Ehemann zu beschützen, an den sie nun gekettet war. Michael hatte sie wegen ihres Erbes geheiratet, und jetzt benützte er ihre Untreue als Schutzschild für sein eigenes Geheimnis. So waren sie beide Gefangene und auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert.
Michael Byrne hatte sich in einen ruhigen Winkel in Slattery’s Pub verzogen. Er wollte nicht gesehen werden, ganz besonders an diesem Abend nicht. Heute war das Baby getauft worden, und es war ganz ordentlich gelaufen. Michaels ahnungsloser Vater hatte mit dem kleinen Mädchen geschäkert, als wäre sie tatsächlich seine Enkelin. Aber Michael hatte gemerkt, dass seine Mutter Bescheid wusste, als sie ihm in Mauras kleiner Küche über Schinkenbrötchen und Teekannen hinweg scheele Blicke zugeworfen hatte. Und ihm war auch nicht entgangen, dass Mauras Vater vermieden hatte, ihm in die Augen zu sehen. Der alte Kelly war kein Idiot und wusste genau, dass die Ehe seine lebenslustige Tochter nicht hatte zähmen können. Armer Narr, dachte Michael. Er hatte, was er wollte, nämlich einen eigenen Hof, und falls Mauras Vater glaubte, dass das hier jemals eine richtige Ehe werden würde, dann hatte er sich verrechnet. Sogar Mauras Bruder Jimmy, der erst kürzlich aus dem Sanatorium in Dublin nach Hause zurückgekehrt war, wusste, dass er nicht der Vater des Kindes war, und die ganze höfliche, angestrengte Konversation hier ging ihm auf die Nerven. Er fühlte sich eingesperrt, diese Familientreffen
waren einfach unerträglich. Am wohlsten fühlte er sich, wenn er alleine über den Hof streifen oder im Pub sitzen konnte, wo er auch alleine war, trotz der anderen Leute, die er dabei beobachtete, wie sie ein Leben lebten, das ihm unbegreiflich war.
Michael hatte sich damit abgefunden, dass er den Jungen zu sich nehmen und mit der Frau, die sich als Flittchen entpuppt hatte, Familie spielen musste, aber mit noch mehr Kindern hatte er nicht gerechnet. Er hatte auf ein ruhiges Leben gehofft. Maura hätte ihr uneheliches Kind in einer Ehe verstecken können, er hätte einen eigenen Hof gehabt, und alle wären glücklich und zufrieden gewesen. Aber jetzt war da noch so ein Bastard aufgetaucht.
Michael bestellte ein Bier und machte es sich bequem. Er entdeckte Mauras Bruder Jimmy, der immer noch sauer war, dass Michael den Hof geerbt hatte, der eigentlich seiner gewesen wäre, hätte er nicht die Tuberkulose bekommen. Pech gehabt, dachte Michael, das Geschäft wird jedenfalls nicht mehr rückgängig gemacht. Er hob die Schaumkrone seines Guinness an die Lippen.
Frank Ryan, die Klatschbase des Dorfes, saß am Tresen. Er war über alles, was im Dorf vorging, bestens informiert und hatte keine Scheu, bei passender Gelegenheit ein bisschen Unruhe zu stiften.
»’N Abend, Michael. Ich hab’ gehört, du hast heute dein Kind taufen lassen«, sagte er und stieß Michael den Ellenbogen in die Seite.
»Ja«, erwiderte Michael übellaunig. Ryan wollte sich über ihn lustig machen, das war klar. Er kannte ihn schon aus Schulzeiten.
»Oh, oh. Deine Begeisterung hält sich aber in Grenzen! Ist doch ein süßer kleiner Fratz, und schon wieder rote Haare!
Komisch, was? Du und Maura, ihr seid doch beide pechschwarz.«
Michael starrte Ryan an, ohne ein Wort zu sagen. In den Winkeln des Pubs kicherten ein paar Alte, und Michael spürte ihre hämischen Blicke. Er stand nur ungern im Mittelpunkt. Und noch weniger passte es ihm, wenn auf seine
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