Das Maedchen und der Magier
„Man muss seinen Mitmenschen vertrauen."
„Wer's glaubt, wird selig."
Jenna konnte nicht schlafen. Sie war todmüde und konnte die Augen kaum noch aufhalten, aber sie schlief einfach nicht ein.
Sie hatte sich in ihrem Schlafzimmer verbarrikadiert, als wäre Chase eine feindliche Armee, die jeden Moment angreifen konnte. Dabei war er nichts als höflich und rücksichtsvoll und zurückhaltend gewesen.
Es war die Zurückhaltung, die sie störte. Sie wurde das Gefühl nicht los, dass zwischen ihnen eine Barriere errichtet worden war. Sie konnte sie weder sehen noch berühren, aber sie war da und wurde von Minute zu Minute höher. Hatte Chase wirklich nur noch wenig Zeit?
Sie wollte es nicht glauben, befürchtete jedoch, dass er die Wahrheit gesagt hatte.
Eine tiefe Traurigkeit erfüllte sie. Irgendwie sieht er sogar anders aus, dachte sie, während sie an die dunkle Decke starrte. Auf der Fahrt nach Hause hatte sie sich eingebildet, durch ihn hindurchblicken zu können, als wäre er nur ein Produkt ihrer Phantasie und kein Mensch aus Fleisch und Blut.
Die Vorstellung war vollkommen unlogisch, aber spätestens bei der ersten Trauung hatte sie damit aufgehört, irgend etwas logisch finden zu wollen.
Als sie zum dritten Mal getraut wurden, fand sie es fast lustig, und das ängstigte sie mehr als alles andere.
Sie sollte sich nicht über etwas amüsieren. Ihre Lage war ausweglos. Sie sollte Fachbücher wälzen, sich einen übersinnlich begabten Helfer suchen und auf Händen und Knien um eine Lösung beten. Statt dessen lag sie allein im Bett und phantasierte.
Jenna griff nach dem Telefonhörer und wählte Mavis' Nummer.
Mavis war wie immer die fröhliche Nachteule und tat, als wäre ein Anruf um Mitternacht nichts Außergewöhnliches. „Wie geht es dem jungen Paar?" fragte sie.
Jenna seufzte laut. „Die Ehe ist nicht so schön, wie immer behauptet wird."
„Das kommt darauf an. Eine Ehe ohne Sex ist wie Weihnachten ohne Geschenke."
„Toller Vergleich, Mavis, aber ich sehe nicht, was er mit Chase und mir zu tun hat. Du weißt genau, dass dies keine richtige Ehe ist."
„Honey, zwischen euch beiden springen genug Funken über, um den Cesar's Palace zu beleuchten."
„Das war keine Liebesheirat, Mavis. Wir sind nicht einmal Freunde." Mavis war unbeeindruckt. „Ich wusste immer, dass ihr zwei einander finden würdet. Habe ich dir nicht gesagt, dass er der Richtige für dich ist?"
„Hör auf, Mavis. Wir haben einander nicht gefunden. Er stand plötzlich vor mir."
„Du wolltest ihn, und er kam."
„Ich wollte ihn nicht." Sie verbesserte sich. „Ich meine, ich will ihn nicht." Mavis'
Schweigen sprach Bände. „Tu mir das nicht an, Mavis! Ich habe ihn mir nicht ausgesucht und er sich mich auch nicht. Es ist einfach ... passiert."
„Honey, ich weiß, dass nichts im Leben einfach passiert. Es gehört alles zu einem großen Plan. Du und dieser attraktive junge Mann, ihr habt eine ganz besondere Chance bekommen, und ihr solltet sie nutzen."
„Wenn sie so besonders ist, warum fühle ich mich dann so elend?"
„Vielleicht sollst du dich so fühlen", erwiderte Mavis ungerührt.
„Bevor er auftauchte, fühlte ich mich nicht elend."
„Aber einsam." Die Stimme ihrer Freundin wurde sanfter. „Ich wette, das tust du jetzt nicht mehr."
„Wie denn auch? Er klebt an mir wie eine Klette."
„Davon träumen wir doch alle, Honey. Niemand will allein sein. Dazu sind wir nicht geschaffen. Soll ich dir sagen, warum ich so oft geheiratet habe?"
„Sag mir lieber, wie ich den Fluch brechen, diese Ehe für ungültig erklären lassen und normal weiterleben kann."
„Honey, wenn ich das könnte, hätte ich längst meine eigene Talkshow im Fernsehen."
„Was soll ich tun, Mavis? Ich will mein altes Leben zurück", sagte Jenna verzweifelt.
„Vielleicht solltest du endlich aufhören, dich zu wehren, und dich über das freuen, was das Schicksal dir geschenkt hat. Eine Chance zum Glück hat man nicht so oft im Leben, Honey.
Frag uns alte Menschen ... wir wissen das nur zu genau."
„Die ganze Welt ist verrückt geworden", flüsterte Jenna und legte den Hörer auf.
Unsichtbare Männer, dreifache Hochzeiten und Mavis' Gewissheit, dass sie und Chase zusammengehörten, das alles war mehr, als sie ertragen konnte.
Sie legte sich hin und schloss die Augen. Die Tür war von innen verschlossen, und wenn der Mann nicht durch Wände gehen konnte, war sie in Sicherheit. Und allein.
Oder etwa nicht? Vielleicht stand er
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