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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wir ins Haus. Ich habe das Geld im Tresor.«
    Erst im Haus sein, dachte Murat dabei. Das ändert alles. Im Arbeitszimmer, gleich neben dem Telefon, ist der Knopf für die Alarmanlage. Ein Druck, und die Sirenen heulen los, das Rotlicht kreist auf dem Dach, und in der Polizeistation von Vert-Pré flackert das Alarmlämpchen über meinem Namen. Allein die Sirenen werden sie verjagen. Damit rechnen sie nicht, daß die ganze Umgebung alarmiert wird.
    »Gehen wir ins Haus!« sagte er noch mal und stieß sich von der Wand ab. Aber Totagans Voodoo-Stab bildete wieder eine Barriere zwischen ihm und der Terrassentür. Murat prallte zurück. Der Schmerz im Arm machte ihn fast besinnungslos. Es muß etwas geschehen, ein Arzt muß her, sonst verliere ich die Hand … der Arm schwillt an, als würde er aufgeblasen … sind das sich stauende innere Blutungen? Plötzlich ergriff ihn Todesangst und Verzweiflung. »Ich muß das Geld holen!« brüllte er. »Begreifst du das denn nicht?! Das Geld ist im Tresor.«
    »Wir nehmen kein Geld für zerstörte Seelen, Monsieur«, sagte Jules höflich und mit einer behäbigen Ruhe. »Wie könnte man so etwas auch bezahlen?«
    »Was willst du dann?!«
    »Sie, Monsieur.«
    »Mich?« Murat riß Mund und Augen auf. »Was heißt das? Du … du bist ja verrückt!«
    »Es heißt, Monsieur, daß ich Ihnen als Christ noch die Zeit geben kann, zu beten. Dann gehören Sie meinem Gott.«
    Über Murats Körper kroch die Kälte des Entsetzens. Er war lange genug auf Martinique, um zu wissen, was dieser Satz bedeutete. Er hatte viel von dem Voodoo-Zauber gehört, hatte sogar von Voodoo-Messen zurückgekommene, von Krankheiten geheilte Landarbeiter seiner Plantagen besichtigt und sie mit Spott übergossen, aber er selbst war nie mit dem Voodoo in Berührung gekommen. Er wußte nur eins aus den Erzählungen seiner kreolischen oder schwarzen Arbeiter: Voodoo ist eine Macht, der man nicht entrinnen kann, wenn sie einen gepackt hat. Es ist eine göttliche Kraft, die alles beherrscht. Und wie alle Weißen hatte auch Murat mitleidig gelächelt und immer wieder gesagt: »Und ihr wollt politisch sein mit Selbstbestimmungsrecht und so weiter? Euch fehlen doch dreihundert und mehr Jahre Entwicklung! Voodoo-Zauber … und so was will mitreden wollen!« Aber die Arbeiter hatten ihn nur mit starren Gesichtern angesehen und waren schweigend auseinandergegangen.
    »Hilfe!« brüllte Murat plötzlich auf. Die nackte Angst zerriß ihn. Mit voller Lunge schrie er los, bis sich seine Stimme überschlug. »Hilfe! Hilfe!«
    Aber nichts geschah. Im Haus, um das Haus herum, überall war nur lähmende Stille. Nun war auch der Glutball der Sonne versunken, ein violetter Schimmer lag über dem Land, das Leichentuch der Nacht breitete sich aus. Um den Gipfel des Mont Pelée in der Ferne ballten sich dichte Wolken, die noch rosa schimmerten. Er zieht seine Schlafmütze an, sagten die Eingeborenen.
    »Hilfe!« brüllte Murat und krümmte sich dabei vor Schmerzen.
    »Monsieur, wir sind allein!« sagte Totagan ruhig. »Nur der Himmel hört uns, und der Himmel schweigt. Knien Sie nieder.«
    »Zehntausend Francs!« schrie Murat und sah dabei Alice an. Sie stand neben Onkel Jules, hielt ihr zerrissenes Kleid über den Brüsten zusammen und erwiderte seinen flehenden Blick mit einer Kälte, die ihm die Ausweglosigkeit der Lage zeigte. »Was hier geschieht, ist doch absoluter Wahnsinn!«
    »Monsieur, es macht mich fröhlich, das zu tun, was ich tun muß!« sagte Jules Totagan mit seiner tiefen, ruhigen Stimme. »Tröstet es Sie, wenn ich Ihnen sage, daß Sie noch eine Aufgabe zu erfüllen haben? Sie werden den Rachegott so mild stimmen, daß er mir hilft, das Unrecht, das auch ein Weißer an meiner Nichte Josephine verübt hat, zu sühnen.«
    Zum letztenmal stieg eine verzweifelte Kraft in Murat hoch. Er versuchte einen Ausbruch, stürzte nach vorn zur Tür des Salons, mit einem tigerhaften Sprung, dabei von den Schmerzen im Arm zerrissen … aber Onkel Jules war noch schneller. Sein Voodoo-Stab schnellte vor, traf Murat an der Schulter und warf ihn in die Knie. Der zweite Schlag traf seinen Kopf. Mit dem Schrei »Hilfe!!!« auf den Lippen, brach Murat zusammen und verlor das Bewußtsein.
    Im gleichen Augenblick schnellte Alice vor wie eine Schlange zum Biß. Sie warf sich auf Murat, ein Messer blitzte in ihrer rechten Faust, und stumm, mit geschlossenen Augen, lautlos stieß sie die lange Klinge in den Körper, immer und immer wieder, bis
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