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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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beugte sich etwas vor. »Warum habt ihr die Voodoo-Kette umgelegt? Als Schutz? Sollen die Götter euch beistehen gegen die Weißen? Braucht ihr Schutz? Wenn jemand hier auf der Insel etwas von eurem Voodoo versteht, dann bin ich es. Das wißt ihr. Euer oberster Houngan, Jules Tsologou Totagan ist mein Freund. Er hat mir sogar geholfen, einen Mörder zu finden.« Coulbet beugte sich noch weiter über den Tisch und tippte auf Alains getrockneten Hahnenkopf. Der Kreole zuckte zusammen, als sei Coulbets Zeigefinger ein Messer, das in ihn eindrang. »Was hat Voodoo hier mit Monsieur Murat zu tun?«
    Felix und Alain schwiegen. Ihre Gesichter waren Masken.
    »Ich will es euch sagen.« Coulbet lehnte sich wieder zurück. »Murat ist ein Opfer des Voodoo, das wißt ihr genau! Warum gerade Murat, das wird sich klären lassen. Und der Wächter stand eben im Weg, das war sein Pech. Ihr habt gesehen, wie Monsieur Murat weggeschleppt wurde! Ich weiß, ich weiß, ich könnte euch jetzt den Kopf aufmeißeln, ihr würdet keinen Ton sagen. Aber das ist auch nicht mehr nötig. Nur einer hat auf Martinique die Macht, mit dem Voodoo über Leben und Tod zu regieren. Nur: Warum Pierre Murat? Aber bei dieser Frage könnt ihr mir nun wirklich nicht helfen.«
    Er ließ die beiden versteinerten Kreolen in der Küche sitzen und kehrte in die Bibliothek zurück. Julien Prochet ließ gerade das Tonband ablaufen mit den Ergebnissen der Verhöre.
    »Zum Kotzen, Robert!« sagte er. »Alle müssen gestern blind und taub gewesen sein. Wie war's bei Felix und Alain?«
    »Sie müssen ihre Zunge verschluckt haben. Was hast du vor?«
    »Ermittlungen gegen Unbekannt wegen Mordes. Suchaktion auf der ganzen Insel nach Pierre Murat. Scheußlich, sage ich dir. So etwas hat es auf der Insel noch nicht gegeben.«
    »Doch. Als man Birots Verlobte mit aufgeschlitztem Leib im Farnwald fand. Das war damals mein Fall. Und er ist noch ungelöst. Ich fahre wieder, Julien.«
    »Wo kann ich dich erreichen?«
    »Bis zum späten Nachmittag nicht. Ich bin über Land.« Coulbet holte tief Atem. »Es kann aber sein, daß wir alle am Abend mehr wissen. Viel mehr –«
    Er ließ einen staunenden und ratlosen Prochet zurück, fuhr auf geradem Wege von Vert-Pré über Gros Morne und Morne-Rouge in das Gebirge und in die wilde Einsamkeit, in der Jules Totagan sein Haus gebaut hatte. Je näher Coulbet dem Ziel seiner Fahrt kam, um so langsamer fuhr er. Schließlich blieb er an einer Ausbuchtung stehen und zündete sich einen Zigarillo an.
    Was hatte er gegen Jules in der Hand? Nichts! Nur einen Verdacht! So war es immer, wenn er Totagan fassen wollte, seit Jahren. Es gab keine Beweise, nur Hinweise, und das ist ein großer Unterschied! Er konnte zum Beispiel sagen: Gib mir mal den Voodoo-Stab her, aber es war sicher, daß er keinen Blutfleck daran fand. Und wenn, dann war es Tierblut, Hahnenblut, das heilige Blut eines Götteropfers. Er könnte auch sagen: Ich weiß, daß du gestern nacht bei Murat warst und ihn mitgenommen hast. Aber Jules war auf so einfache Art nicht zu bluffen. Es war überhaupt nicht an ihn heranzukommen, wenn man nichts Konkretes in der Hand hatte. Ein Mann wie Totagan würde schweigen, auch wenn man ihn bis zum Lebensende einsperrte. Er würde auch schweigen, wenn man ihn, nach Art seiner Vorfahren, zu Tode foltern würde.
    Coulbet hob fröstelnd die Schulter und fuhr langsam weiter.
    Jules Tsologou Totagan war nicht im Haus. Die Tür war wie immer nicht verriegelt, Coulbet konnte ungehindert eintreten, sah sich um und hatte den Eindruck, daß Jules in den letzten Tagen hier nicht gewohnt hatte. Staub lag auf dem Tisch, außerdem roch es muffig-feucht.
    Zum wiederholten Male durchsuchte Coulbet das Haus, vor allem gründlich die beiden Voodoo-Kammern mit den Zauberwerkzeugen, den Mixturen, den heiligen Ketten und geweihten Puppen, den Opfereisen und den mumifizierten Tierköpfen. Er fand nichts Neues, ging aus dem Haus und setzte sich enttäuscht auf die Bank vor die Tür.
    Jules war also sicherlich schon ein paar Tage nicht hier, dachte Coulbet. Das könnte zutreffen, wenn man annimmt, daß er Murat beobachtet hat, ehe er ihn mitnahm. Aber warum Murat? Wo gab es eine Verbindung zwischen Murat und Birot? Was hatte Murat mit Josephines Rache an Petra zu tun? Hier gab es keine Logik mehr, aber Jules, das wußte Coulbet, handelte nur nach den Gesetzen der Logik. Alles hatte seinen Sinn, und alles erfüllte einen Zweck. Murat aber stand außerhalb.
    Trotz allem

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