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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einen Tagesjob zu machen. Er drückte sich draußen, immer in der Nähe seiner Hütte herum, und als es zu blöd wurde, sich wegen eines kleinen Risses so anzustellen, begann er, Holz zu hacken.
    Aubin sah ihm eine Zeitlang, auf seinem Campingstuhl sitzend, zu, ehe er sich zu Wort meldete. Jeanette spülte das Geschirr in einem Plastikeimer und verstaute die Lebensmittel wieder in die Kühlbox.
    »Wird heute der Berg nicht beobachtet?« fragte er.
    »Nein!« antwortete Casarette einsilbig.
    »Und wenn er ausgerechnet heute wackelt?«
    »Er wackelt nicht!«
    »Das hat man im Gefühl, was?«
    »So ähnlich.«
    »Wenn ich Sie so Holz hacken sehe, erinnern Sie mich an einen Bauern im Val d'Isère. Der hackte auch verzweifelt von morgens bis abends. Aber dem stand ein lausiger Winter vor der Tür. Davor brauchen Sie ja keine Angst zu haben.«
    Casarette schluckte den dicken Spott und hackte weiter. »Ich sitze nachts manchmal ganz gern an einem Lagerfeuer«, sagte er bloß.
    »Romantisch!«
    »Ja. Ich glaube, daß auch Jeanette es romantisch findet. – Wann malen Sie, Jean?«
    »Wenn es mich überkommt.«
    »Was heißt das?« Casarette unterbrach seine dumme Hackerei.
    »Malen ist etwas anderes, als sich in einen Berg hineinfressen. Ein Künstler braucht Stimmungen, seelische Schwingungen, Intuition, inneren Frieden oder – wenn er nichts zu beißen hat – die Triebkraft des Hungers. Daraus sind unsterbliche Werke entstanden. Denken Sie nur an mein großes Vorbild van Gogh.«
    »Ach, der ist Ihr Vorbild? Ausgerechnet der?« sagte Casarette mit dickem Hohn.
    »Ich könnte auch Gauguin nennen. Aber wenn ich Sie ansehe, André, bekomme ich keinen künstlerischen Schwung.«
    »Dann ziehen Sie doch weiter, Jean!«
    »Wo finde ich solch einen Platz wieder? Nein! Ich muß mich an Sie gewöhnen, das ist es. Mit der Zeit wird's schon gelingen.«
    »Wie lange rechnen Sie?«
    »Weiß ich es im voraus, wann ich Ihre Visage ertragen kann?!«
    Casarette legte seine Axt neben den Hauklotz und sah Aubin mit geneigtem Kopf an. »Jean, Sie brauchen es bloß zu sagen, ich tu' Ihnen den Gefallen und schlage Ihnen die Nase ein! Viel fehlt nicht mehr …«
    »Ich komme darauf zurück, André. Wo möchten Sie's gerne haben?«
    Auch dieses Hahnenkampfgespräch wurde langweilig. Casarette hackte weiter, Aubin sah hinüber zu Jeanette, die in ihrem knappsten Bikini herumlief. Mit ihr hatte es am Frühstückstisch ein böses Gespräch gegeben. Nach ihrer Frage: »Warum hast du eine Pistole unter dem Kopfkissen?« hatte er geantwortet: »Wer im Urwald übernachtet, soll nicht glauben, daß er im Paradies schläft.« Aber sie hatte nachgebohrt: »Aber André ist doch bei uns!« Worauf er gesagt hatte: »Eben!«
    Das war keine Erklärung. Sie blieb hart am Problem. »Hast du denn einen Waffenschein?«
    »Nein«, log Aubin.
    »Und die Pistole?«
    »Ach Gott, die kann man überall bekommen. Ich habe sie in Marseille, hinter dem Bahnhof, von einem Händler gekauft, der offiziell mit Seidenblumen handelte.«
    »Und keiner hat etwas gemerkt, von Marseille bis Martinique?«
    »Wie du siehst. Die Flughafenkontrollen sind sehr oberflächlich. Ich hatte die Pistole zusammen mit der Staffelei in einem Karton. Einem französischen Maler traut man keinen Terrorakt zu. Das Kunstempfinden der Franzosen ist …«
    Das war der Augenblick, wo Jeanette beleidigt aufstand und zum Zelt ging. Aubin atmete auf, aber er wußte, daß das Thema damit nicht beendet war. Jeanette war kritisch geworden.
    Es hatte damit begonnen, daß sie sagte, er könne nicht malen, sie sehe auf den Bildern aus wie ein Kretin, und was er denn wirklich von Beruf sei, und es hörte nun damit auf, vorläufig, daß sie bei ihm eine Pistole gefunden hatte, auf der er sogar schlief. Ein Mädchen wie Jeanette würde weiterbohren.
    »Hatten Sie mir nicht angeboten, mich in Ihren Stollen mitzunehmen?« fragte Aubin nach einiger Zeit. Casarette, der nun nicht mehr Holz hackte, sondern völlig sinnlos einen Stuhl aus Knüppelholz mit einem Klarlack strich, blickte hoch.
    »Ich wüßte nicht, daß ich so etwas gesagt habe …«
    »Nein? Pardon.«
    »Aber wenn Sie wollen, gehe ich mit Ihnen in den Berg.«
    »Liebend gern.«
    »Es ist gefährlich, Jean.«
    »Wenn Sie Tag um Tag darin herumwühlen, muß es erträglich sein.«
    »Es rutschen immer wieder Steine nach. Wenn so ein Brocken Sie trifft, ist's nicht meine Schuld. Also: Auf eigene Verantwortung, Aubin!«
    Aubin nickte. Er zögerte. Damit hat er
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