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Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern

Titel: Das Mädchen vom Amazonas: Meine Kindheit bei den Aparai-Wajana-Indianern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherina Rust
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Körben beladen wieder herauszukommen. Vor dem Haus sammelte sich eine beeindruckende Anzahl an Gegenständen. Korb für Korb leerten die beiden aus, im Laufe der Zeit hatte sich so einiges angesammelt. Wertvolles und Wertloses, schnöde Gebrauchsgegenstände genauso wie kostbares Kunsthandwerk. Alles, was nicht mehr gebraucht wurde, wanderte auf den großen Haufen für das Abendfeuer. Alles andere wurde gepflegt, repariert und geölt. Wenn es um ihre wenigen Habseligkeiten ging, waren die Männer von Mashipurimo sehr gewissenhaft.
    Araiba stellte seine Sammlung an kunstvoll geflochtenen Körben ebenfalls vor die Schlafhütte. Die Quadratkörbe, Potös, waren offen und mit Mustern aus schwarz eingefärbtem Aruma verziert. Das waren die typischen Aufbewahrungsbehälter, die Großmutter Antonia und die alte Peputo für ihre Handarbeiten benutzten. Ich sah, dass sie tatsächlich randvoll mit Baumwollspindeln und bereits angefangenen Webstücken waren. Mein Herz hüpfte vor Freude, als ich einen kleinen Lendenschurz in einem der Körbe entdeckte. Für Sylvia war er definitiv zu klein. Vielleicht eine Überraschung für mich? Araiba lachte. »D as solltest du noch gar nicht sehen. Du neugieriges kleines Ding.«

    Aparai beim Flechten von Aufbewahrungskörben
     
    Die anderen Körbe, die Araiba vor der Hütte aufreihte, hatten Deckel. Behutsam öffnete er einen nach dem anderen. Das leise knarzende Geräusch war für mich damals so, wie heute das Knacken eines Überraschungs-Eis für meine Tochter – man wusste nie, was einen als Nächstes erwartete. Einige Körbe waren in Form und Größe vergleichbar mit einer Schuhschachtel für Stiefel, nur deutlich schmaler. In diesen Schachteln bewahrte Araiba seinen prächtigen Federschmuck auf. Normalerweise bekamen wir diese feuerrot und azurblau leuchtenden Arafedern mit der kunstvollen Baumwollbindung nur zu ganz besonderen Gelegenheiten zu sehen. Zum Beispiel in der Zeit vor großen Tanzfesten. Doch heute stellte Araiba die Schachteln samt dem wertvollen Federschmuck einfach mit geöffneten Deckeln in die pralle Nachmittagssonne. Erstaunt erkundigte ich mich, warum er das tat. »D ie Sonne tötet die Milben ab und vertreibt das ganze Ungeziefer aus dem Federschmuck«, erklärte Großvater Araiba. Und beim kommenden Tanzfest würden die prächtigen Arafedern dann wieder wie neu als Kronen auf den Tanzmänteln erstrahlen. Erst wenn sie an Leuchtkraft verloren, wurden sie gegen neue Arafedern ausgetauscht. So ein Federschmuck war schließlich eine Kostbarkeit, und nur wenn er richtig gepflegt wurde, konnte er seinem Besitzer lange Zeit Freude bereiten.
    Während ich neben Araiba hockend den schönen Federschmuck in den geöffneten Körben betrachtete, fiel mir eine Reihe Tontöpfe auf, die Mukuschis. Sie waren etwas kleiner als die anderen Behälter und über und über mit kunstvollen Ornamenten verziert. Vorsichtig hob ich einen der Deckel an, und Araiba gab mir durch ein zustimmendes Nicken zu verstehen, dass er damit einverstanden war. »G uck nur, das wird dir gefallen.« In einem der Behälter war eine wunderschöne Rassel, gefertigt aus kleinen Ololos, hohlen Kürbissen. Behutsam nahm ich sie in die Hand und war überrascht, dass sie schon bei der geringsten Bewegung ein Geräusch von sich gab. Waren da kleine Kerne drin? Steinchen? Oder nur Sand? Erneut schüttelte ich die Rassel, doch es war nicht auszumachen, was sich in ihrem Innern befand. Und der Griff, das Stück eines abgesägten Pfeils, saß so fest auf dem Hohlkörper des getrockneten Kürbisses, dass ich ihn beim besten Willen nicht herausziehen konnte, um hineinzuschauen. An den Stellen, an denen der Griff kunstvoll mit Baumharz am Hohlkörper festgeklebt war, glänzte es. Araiba schien sich über mein Interesse an den geheimnisvollen Marakannös zu freuen und erklärte mir die Bedeutung der verschiedenen Muster. Es waren mythische Tierfiguren aus alter Zeit. Auf einer der Rasseln meinte ich sogar ein kleines Kanna-Akotto zu erkennen.

    Der Federschmuck wird gelüftet
     
    Gute Geister, böse Geister
     
    Dass mich Araiba mit den Rasseln spielen ließ, war keine Selbstverständlichkeit. Früher waren sie nur den mächtigen Zauberern vorbehalten gewesen und für Normalsterbliche tabu. Araiba, der gerade dabei war, Feder für Feder seines Kopfschmucks zwischen seinen Fingern glatt zu streichen und sie einzufetten, bis sie glänzten, erklärte mir, warum das so war.
    Vor langer Zeit lebte eine Vielzahl mächtiger

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