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Das Mädchen.

Das Mädchen.

Titel: Das Mädchen. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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neben dem seiner Eltern, stöhnte und zerwühlte sein Bett, während er sich ruhelos von einer Seite auf die andere warf. In seinen Träumen stritten seine Mutter und er sich, waren auf dem Wanderweg unterwegs und stritten sich, und als er sich irgendwann angewidert abwandte (oder vielleicht um ihr nicht die Befriedigung zu gönnen, daß sie sah, daß er ein bißchen zu weinen begonnen hatte), war Trisha fort. An dieser Stelle geriet sein Traum ins Stocken; er blieb in seinem Verstand stecken wie ein Knochen in der Luftröhre. Pete warf sich im Bett herum, als ließe er sich so wieder lösen. Der untergehende Mond schien ins Zimmer und ließ den Schweiß auf Petes Stirn und Schläfen glänzen.
    Er drehte sich um, und sie war fort. Drehte sich um, und sie war fort. Drehte sich um, und sie war fort. Hinter ihm lag nur der leere Weg.
    »Nein«, murmelte Pete im Schlaf, warf seinen Kopf von einer Seite zur anderen und versuchte, den Traum zu lösen, ihn herauszuhusten, bevor er daran erstickte. Aber das gelang ihm nicht. Er drehte sich um, und sie war fort. Hinter ihm lag nur der leere Weg. Es war, als hätte er nie eine Schwester gehabt.

FÜNFTER DURCHGANG

Als Trisha am nächsten Morgen aufwachte, tat ihr der Nacken so weh, daß sie kaum den Kopf drehen konnte, aber das war ihr egal. Die Sonne stand am Himmel, füllte die halbmondförmige Lichtung mit frühem Morgenlicht. Das war ihr wichtig. Sie erinnerte sich, daß sie nachts aufgewacht war, weil es sie überall juckte und sie mal mußte; sie erinnerte sich, daß sie zum Bach gegangen war und ihre Mücken- und Wespenstiche bei Mondschein mit Schlamm bepflastert hatte; sie erinnerte sich, daß sie eingeschlafen war, während Tom Gordon bei ihr Wache gehalten und ihr einige der Geheimnisse seiner Rolle als Closer erklärt hatte. Sie erinnerte sich auch, daß sie schreckliche Angst vor irgendwas im Wald gehabt hatte, aber natürlich war dort nichts gewesen, was sie beobachtet hatte; sie hatte nur davor Angst gehabt, in der Dunkelheit allein zu sein, das war alles.
    Irgend etwas tief in ihrem Bewußtsein versuchte, dagegen zu protestieren, aber das ließ Trisha nicht zu. Die Nacht war vorüber. Sie wollte ebensowenig auf sie zurückblicken, wie sie zum Steilhang zurückgehen und ihre Rutschpartie zu dem Baum mit dem Wespennest hinunter wiederholen wollte. Jetzt war es Tag. Jetzt würden massenhaft Suchtrupps ausschwärmen, und sie würde gerettet werden. Das wußte sie. Sie verdiente, gerettet zu werden, nachdem sie eine ganze Nacht allein in den Wäldern verbracht hatte. Sie kroch unter dem Baum hervor, wobei sie ihren Rucksack vor sich herschob, kam auf die Beine, setzte ihre Mütze auf und humpelte zum Bach zurück. Sie wusch sich den Schlamm von Gesicht und Händen, betrachtete die Wolke aus Gnitzen und Stechfliegen, die sich wieder um ihren Kopf zu sammeln begann, und trug widerstrebend eine neue Schlammschicht auf. Dabei erinnerte sie sich daran, wie Pepsi und sie als kleine Mädchen einmal Schönheitssalon gespielt hatten. Sie hatten eine solche Schweinerei mit Mrs. Robichauds Make-up angerichtet, daß Pepsis Mom sie tatsächlich angeschrien hatte, sie sollten aus dem Haus verschwinden, sich gar nicht erst waschen oder versuchen, irgendwas aufzuräumen, sondern bloß abhauen, bevor sie ganz ausraste und ihnen ein paar knalle. Also waren sie hinausgelaufen - voller Puder und Rouge und Eyeliner und grünem Lidschatten und Lippenstift in der Farbe Passion Plum - und hatten wahrscheinlich wie die jüngsten Stripperinnen der Welt ausgesehen. Sie waren zu Trisha gegangen, wo Quilla' sie erst entgeistert angestarrt und dann gelacht hatte, bis ihr die Tränen übers Gesicht liefen. Sie hatte die kleinen Mädchen an der Hand genommen, ins Bad geführt und ihnen Cold Cream zum Abschminken gegeben. »Sanft   nach oben streichen, Mädchen«, murmelte Trisha jetzt. Als sie mit ihrem Gesicht fertig war, spülte sie ihre Hände im Bach ab und aß den Rest ihres Thunfischsandwichs und dann die Hälfte der Selleriestangen. Sie rollte die Lunchtüte mit deutlichem Unbehagen zusammen. Jetzt war das Ei fort, das Thunfischsandwich war fort, die Chips waren fort, und die Twinkies waren fort. Ihr Proviant bestand nur noch aus einer halben Flasche Surge (in Wirklichkeit weniger) einer halben Flasche Wasser und ein paar Selleriestangen.
    »Macht nichts«, sagte sie und verstaute die leere Lunchtüte und die restlichen Selleriestangen wieder in ihrem Rucksack. Auch der zerfetzte,

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