Das Mädchen.
sagte Trisha. »Vor dir hab' ich keine Angst.« Und nach einer Pause: »Fuck you!«
Sie hatte es wieder ausgesprochen, das, was Pepsi Das Schreckliche F-Wort nannte, und Trisha bedauerte es nicht. Sie konnte sich sogar vorstellen, es zu ihrem Bruder zu sagen, wenn Pete auf dem Nachhauseweg von der Schule wieder mit seinem ganzen Malden-Scheiß anfing. Maiden dies und Maiden das, Dad dies und Dad das, und was wäre, wenn sie einfach sagen würde: He, Pete, fuck you, damit mußt du selbst klarkommen, statt zu versuchen, entweder ganz still und mitfühlend oder ganz locker und fröhlich zu sein und Reden-wir-von-was-anderem-Stimmung zu verbreiten? Oder: He, Pete, das ist ein großes Fuck-you, einfach so? Trisha sah ihn vor sich stehen - sah Pete, wie er sie anstarrte und vor Staunen den Mund gar nicht mehr zubrachte. Bei dieser Vorstellung mußte sie kichern. Sie stand auf, trat ans Wasser, suchte vier Steine zusammen, die sie hinüberbringen würden, und warf sie nacheinander vor sich ins Bachbett. Sobald sie am anderen Ufer war, begann sie, dem Wildbach stromabwärts zu folgen. Das Gelände fiel immer steiler ab, und der Bach neben ihr wurde stetig lauter, während er sich schäumend durch sein felsiges Bett wälzte. Als Trisha eine verhältnismäßig ebene Lichtung erreichte, beschloß sie, hier zu übernachten. Die Luft war dick und schattig geworden, wenn sie versuchte, weiter abzusteigen, riskierte sie einen Sturz. Außerdem war es hier nicht allzu schlecht: auf der Lichtung konnte sie wenigstens den Himmel sehen.
»Bloß die Viecher sind verdammt lästig«, sagte sie, wedelte die Mücken von ihrem Gesicht weg und erschlug ein paar, die auf ihrem Nacken saßen. Sie ging zum Bach, um Schlamm zu holen, aber - haha, reingefallen, Kleine - dort gab es keinen. Jede Menge Steine, aber keinen Schlamm.
Trisha blieb einen Augenblick in der Hocke, während die Gnitzen vor ihren Augen komplizierte Flugmanöver vollführten, überlegte sich die Sache und nickte dann. Sie schob den Nadelteppich auf einer kreisförmigen Fläche mit ihren Handkanten beiseite, scharrte eine flache Mulde in den weichen Boden und füllte sie mit Hilfe ihrer Wasserflasche mit Wasser aus dem Bach. Dann rührte sie mit ihren Fingern Schlamm an, was ihr großes Vergnügen machte (sie dachte dabei an Gramma Andersen, ans Brotbacken am Samstagmorgen in Gramma Andersens Küche, in der sie beim Teigkneten immer auf einer Fußbank stand, weil die Arbeitsplatte so hoch war). Als sie reichlich gute Pampe hatte, beschmierte sie damit ihr ganzes Gesicht. Es war fast dunkel, bis sie damit fertig war.
Trisha stand auf, während sie ihre Arme noch weiter mit Schlamm einrieb, und sah sich um. Heute nacht gab es keinen passend umgefallenen Baum, unter dem sie schlafen konnte, aber ungefähr zwanzig Meter vom diesseitigen Bachufer entfernt erspähte sie ein Gewirr aus abgebrochenen Kiefernzweigen. Sie schleppte sie zu einer der großen Fichten am Bach, lehnte sie wie umgekehrte Fächer an den Stamm und schuf so einen kleinen Hohlraum, in den sie kriechen konnte ... eine Art Halbzelt. Kam kein Wind auf, der die Zweige umwarf, würde es darin vermutlich ganz behaglich sein.
Als sie die beiden letzten Zweige herholte, verkrampfte ihr Magen sich, und sie hatte das Gefühl, als ob sie Durchfall bekäme. Trisha blieb mit je einem Zweig in der Hand stehen und wartete ab, was als nächstes passieren würde. Der Krampf ging vorüber, und das eigenartige Schwächegefühl tief in ihrem Unterleib gab sich wieder, aber sie fühlte sich trotzdem nicht recht wohl. Zittrig. Bibberig, hätte Gramma Anderson vermutlich gesagt, aber sie hätte damit nervös gemeint, und Trisha fühlte sich nicht nervös, nicht richtig. Sie wußte nicht, wie sie sich fühlte.
Das kommt vom Wasser, sagte die kalte Stimme. Irgendwas ist im Wasser. Du bist vergiftet, Kindchen, wahrscheinlich bist du bis morgen früh tot.
»Dann bin ich's eben«, sagte Trisha und stellte die beiden letzten Zweige an ihren provisorischen Unterschlupf. »Ich hab' solchen Durst gehabt. Ich mußte trinken.« Darauf kam keine Antwort. Vielleicht verstand selbst die kalte Stimme so viel, auch wenn sie eine Verräterin war -sie hatte einfach trinken müssen.
Sie ließ ihren Rucksack von den Schultern gleiten, machte ihn auf und nahm andächtig ihren Walkman heraus. Sie setzte den Kopfhörer auf und drückte den Einschaltknopf. WCAS kam noch gut hörbar an, aber der Sender war nicht mehr so stark wie gestern abend. Trisha
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