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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Quint
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nur?« Fine stellte die Pfanne beiseite und wischte sich die Hände trocken. Zu gern hätte sie den Brief selbst gelesen.
    Doch der Vormund machte keinerlei Anstalten, ihr das Schriftstück zu reichen. »Das teilt euer Onkel nicht mit«, erwiderte er kurz. »Er wird in der nächsten Woche hier eintreffen, um mit mir etwas zu besprechen, was dich und deinen Bruder angeht.«
    »Aha?« Fine hätte gern noch mehr gefragt, doch sie merkte, dass für den Bauern alles gesagt schien.
    »Mach dir keine Gedanken, Kind«, meinte er noch. »Schon nächste Woche werden wir erfahren, worum es geht.«
    Dann steckte er den Brief ein und verließ die Küche.
    Des Abends ging Fine in das Haus des Ravenzachers, um Basti die Neuigkeit zu überbringen.
    »Wir haben einen Onkel in Amerika?!«, er riss die Augen auf. »Ist er wohlhabend? Will er uns was schenken, sodass wir die reichsten Leute im Dorf werden und die anderen uns bewundern müssen?«
    Fine schüttelte lachend den Kopf. »Mein lieber Basti! Du hast zu viele Schundgeschichten gehört, die sich die Leute so erzählen. Noch haben wir keine Ahnung, was er überhaupt will, wenn er nächste Woche kommt.«
    »Aber der Bauer weiß etwas über unseren Ohm. Dass er viel Geld verdient hat. Du hast es eben selbst gesagt.«
    Fine seufzte. »Ja, es ist die Rede davon, er sei zu einigem Wohlstand gekommen. Das muss jedoch nichts heißen.« Sie legte ihrem Bruder eine Hand auf die Schulter. »Wenn Menschen nach Amerika gehen, bedeutet das noch lange nicht, dass sie dort ihr Glück machen. Ich habe von vielen gehört, die schon auf der Überfahrt gestorben sind. Oder die sich bei krummen Geldgeschäften selbst ins Unglück gestürzt haben.«
    Basti erschrak. »Also könnte es sein, dass unser Ohm ganz arm ist? Dass er deswegen aus Amerika zurückkommt, weil er nach seiner alten Familie sucht, die ihn jetzt unterstützen soll?«
    »Basti!«, entfuhr es Fine nun nicht mehr belustigt, sondern eher mahnend. »Du fällst von einer wilden Idee in die nächste. Lass uns in Ruhe abwarten, was Onkel Tonnes mit uns zu besprechen hat, und dann sehen wir weiter.«
    Sie verabschiedete sich von ihrem Bruder und ging hinüber in Marjanns Haus, wo noch ein kleines Nachtmahl auf sie wartete.
    »An den Tonnes erinnere ich mich wohl«, meinte Marjann, während sie für Fine einen Hagebuttentee aufbrühte. »Er war damals ganz wild darauf, nach Amerika zu gehen. Manch einer ist leichtfertig nach Amerika gegangen. So als riefen die jungen Leute: ›Mutter, wirf mir ein frisches Hemd heraus. Ich will nach Amerika spazieren.‹«
    »War unser Onkel denn auch so leichtsinnig?«
    »Das wohl weniger. Er ist zumindest nicht überstürzt aufgebrochen. Aber er hat übertrieben in dem, was ihn hier störte. In der Heimat war ihm nichts mehr recht, alles hat er schlechtgeredet.«
    »Hat er hier denn Hunger leiden müssen, dass es ihm deswegen so wichtig war, nach Amerika zu kommen?«, fragte Fine neugierig.
    Marjann zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nicht. Jedenfalls nicht mehr zu der Zeit, als er sich aufmachte. Da waren die schlimmsten Notjahre schon überstanden und viele Leute, die oft davon gesprochen hatten auszuwandern, entschlossen sich schließlich doch zu bleiben.«
    »Aber Onkel Tonnes wollte unbedingt fort?«
    »Ja. Er hat gesagt: ›Auch wenn die Not nicht mehr so groß sein mag, die Eifel ist einfach keine Gegend, sein Glück zu machen.‹ Er war damals frisch verheiratet, und seine Braut hat ihn wohl auch gedrängt.«
    »Und meine Eltern?«, fragte Fine nun mit einem Eifer, als hätte sie Feuer gefangen. »Wollten die denn jemals auswandern?«
    »Nein«, Marjann setzte sich zu ihrem Zögling. »Soweit ich weiß, nie. Deine Eltern hingen sehr an der Heimat. Wenn ich mich recht erinnere, versuchte dein Onkel, deinen Vater zum Mitgehen zu überreden. Aber für den war immer entschieden, dass er bleiben wollte. Hier in den Wäldern, die er so gut kannte.«
    »Das stimmt«, entgegnete Fine nachdenklich. »Die Wälder liebte unser Vater. Er hat ja oft gesagt: ›Selbst wenn durch schlechte Ernten auf den Feldern kein Halm mehr wächst, solange im Wald die Bäume stehen, muss kein Mensch, der sich dort auskennt, jemals Hunger leiden.‹«
    »Ja, das meinte er wohl«, Marjann lachte kurz auf. »Und wenn er damit auch übertrieben hat, denn im schlimmsten Kältehunger konnten unsere Wälder uns auch nicht mehr retten, so hatte dein Vater doch im Kern recht.«
    Fine nahm einen Schluck vom heißen Tee. Sie lehnte

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