Das Maerchen der 1001. Nacht
von einer hohen Mauer umgeben war. Beth atmete den Duft nach Jasmin, der in der warmen Luft hing, tief ein. Es war ein herrlicher, ruhiger Platz, wie geschaffen zum Verweilen und zum Entspannen. Die Palmen, die herrlich duftenden Blumen und das üppige Grün wurden mit Scheinwerfern angestrahlt.
„Oh, ich hatte keine Ahnung, dass es im Palast so einen unglaublich schönen Platz gibt“, sagte sie staunend.
„Das Schönste habe ich mir bis zum Schluss aufgehoben.“
„Das war ein Fehler.“
Er zog eine Augenbraue hoch. „Wieso?“
„Statt mir Luxuslimousinen, Privatjets und die Jacht zu zeigen, hättest du mich zuallererst in diesen Garten führen müssen. Hier fühlt man sich wie verzaubert.“
„Also der ideale Platz für einen Harem“, stellte er fest.
„Das hätte ich doch beinah vergessen! Danke, dass du mich daran erinnerst“, entgegnete sie spöttisch.
„Komm, lass uns weitergehen.“ Er reichte ihr die Hand.
Eigentlich war es eine viel zu intime Geste, doch Beth wollte sich die Chance, ihn zu berühren, nicht entgehen lassen. Also wanderten sie Hand in Hand über den schmalen, mit wunderschönen Steinen ausgelegten Weg zwischen den rosa, dunkelrot, goldgelb und in anderen Farben blühenden Sträuchern und Blumen hindurch. Vor dem lachsfarben getünchten Gebäude mit dem roten Dach am Ende des Wegs blieben sie stehen. Beth betrachtete die großen Fenster mit den hübschen Scheiben aus buntem Glas. Im Innern des Gebäudes war alles dunkel.
„Habt ihr die Stromrechnung nicht bezahlt?“, scherzte sie.
Malik warf ihr einen belustigten Blick zu, ehe er einen Schlüssel aus der Hosentasche zog und dann die Tür damit öffnete.
„Warum ist der Harem abgeschlossen? Werden die Frauen wie Gefangene gehalten?“ Sie legte ihm eine Hand auf den Arm.
Ohne zu antworten, schaltete Malik den Kronleuchter in der großen Eingangshalle ein, die einem Meer aus Marmor glich. Die sanften Farben und die kostbaren Mosaike waren einfach hinreißend schön. Sprachlos folgte Beth ihm durch die eleganten Räume, in denen mit teurem Stoff bezogene Möbel und die auf dem Marmorboden verteilten dicken, weichen Teppiche zum Verweilen einluden. Auch die Marmorbäder mit den vergoldeten Armaturen waren Luxus pur. Der letzte Raum, ein Schlafzimmer, war so groß wie Beth’ ganzes Apartment in Los Angeles. Er war mit einem breiten Himmelbett, einem Liegesofa und mehreren bequemen Sofas und Sesseln ausgestattet, die mit Brokat bezogen waren.
„Hierhin zieht sich also der König zurück, wenn er sich entspannen will“, konnte Beth sich die ironische Bemerkung nicht verbeißen.
Mit ernster Miene schüttelte Malik den Kopf. „Nein. Dieser Teil des Palastes wird nicht mehr benutzt. Dafür hat schon mein Urgroßvater gesorgt.“
„Stimmt das?“, vergewisserte sie sich.
Er nickte. „Offenbar haben er und seine Frau, die übrigens seine Eltern für ihn ausgesucht hatten, sich nach der Hoch zeit ineinander verliebt. Mein Vater hat mir erzählt, meine Urgroßmutter hätte ihrem Mann unmissverständlich klargemacht, dass sie ihn liebe und keine andere Frau in seinem Bett dulde. Falls er damit nicht einverstanden sei, würde sie aus seinem Leben verschwinden. Sie war nicht bereit, ihn mit anderen Frauen zu teilen.“
„Eine mutige und entschlossene Frau!“
„Oh ja, das war sie bestimmt.“
„Wie hat dein Urgroßvater reagiert?“ Beth’ Neugier war geweckt.
„Er hat ihr versichert, dass er gar keine andere Frau haben wolle“, erwiderte Malik und verzog leicht die Lippen.
„Na ja, man kann viel versprechen“, wandte sie ein.
„Stimmt, aber er hat auch Taten folgen lassen. Er hat den Harem aufgelöst und verschlossen. Seitdem wird er nicht mehr benutzt.“
„Ah ja.“
„Es ging jedoch das Gerücht um, die beiden hätten sich manchmal in diesen Raum geschlichen.“
„Um König und Konkubine zu spielen?“, fragte Beth lächelnd.
„Wahrscheinlich.“ Das Leuchten in Maliks Augen ließ ihr Herz höherschlagen. „Die beiden waren über fünfzig Jahre glücklich verheiratet und sind kurz nacheinander gestorben, so als hätte der eine ohne den anderen nicht leben können.“
Beth seufzte. „Das klingt wunderschön.“
„Das war es wohl auch. Seitdem haben meine männlichen Vorfahren die Tradition der arrangierten Ehen fortgesetzt, und sie haben es mit der ehelichen Treue sehr genau genommen.“
Beth sah ihn aufmerksam an und konnte sich nicht entscheiden, ob sie ihm glauben sollte oder nicht. Vorhin
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