Das Maerchen der 1001. Nacht
gegessen hatten, und warteten auf den Aufzug.
Beth schätzte seine Eltern sehr. Sie hatten sie herzlich aufgenommen und behandelten sie, als gehörte sie schon zur Familie. Seit ihr Vater die Familie auseinandergerissen hatte, hatte Beth sich immer ausgegrenzt gefühlt. Wärme und Geborgenheit hatte sie nie kennengelernt. Es war ein trauriger Gedanke, den sie rasch verdrängte. Maliks Vorschlag, ihr den Harem zu zeigen, hatte sie überrascht und ihre Neugier geweckt.
„Gilt dort eine bestimmte Kleiderordnung?“, erkundigte sie sich und blickte an sich hinunter. In dem hübschen Sommerkleid aus Baumwolle fühlte sie sich ausgesprochen wohl. Sie schob die Hand in die Tasche, umfasste das Handy und hoffte, Addie würde nicht ausgerechnet jetzt anrufen, obwohl es längst überfällig war, dass sie sich meldete.
„Du siehst so gut aus wie immer, und an deinem Outfit gibt es nichts auszusetzen“, erklärte er.
Beth sah ihn an. In der eleganten schwarzen Hose und dem weißen Seidenhemd mit den hochgekrempelten Ärmeln wirkte er wieder einmal ungemein attraktiv. Ihre Gefühle für ihn wurden immer stärker und intensiver. Er war noch mächtiger als ihr Vater, der das Leben ihrer Mutter zerstört hatte. Die Frau, die sich ernsthaft in Malik verliebte, war zu bedauern, und Beth hoffte inständig, dass sie diese Frau nicht war und dass es für sie noch nicht zu spät war, sich zurückzuziehen. Doch sie befürchtete, sich hoffnungslos und rettungslos in diesen Mann zu verlieben, wenn sie ihre Rolle noch länger spielen musste.
Plötzlich überlief es sie heiß und kalt, und ihr schauderte, als sie daran dachte, was sie hier machte. Sie war eine Lügnerin und Betrügerin. Die einzige Rechtfertigung war, dass sie das alles nur tat, um ihrer Schwester zu helfen. Beth erinnerte sich daran, wie sie und Addie sich in der ersten Nacht ohne ihre Mutter ängstlich und verwirrt aneinandergeklammert und sich gegenseitig getröstet hatten.
Bald habe ich es überstanden, sagte sie sich schließlich und konzentrierte sich wieder auf die Besichtigungstour. Vielleicht konnte sie damit ihr schlechtes Gewissen eine Zeit lang zum Schweigen bringen. Sie konnte sich gut vorstellen, wie Malik sich in dem Harem eine Frau für die Nacht aussuchte. Auf einmal arbeitete es in ihr, und schnell verdrängte sie den beunruhigenden Gedanken.
Als Malik ihr die Hand auf die Taille legte und Beth in den Aufzug aus Mahagoni und Glas dirigierte, mit dem sie ins Erdgeschoss fahren wollten, erbebte sie unter der Berührung.
„Du willst mich also in die Sitten und Gebräuche deiner Familie einführen“, stellte sie leicht spöttisch fest. „Eigentlich bin ich ja genau wie du der Meinung, wir sollten uns besser kennenlernen. Aber geht es nicht etwas zu weit, mir den Harem zu zeigen?“
„Vielleicht solltest du dir erst alles anschauen, ehe du dir ein Urteil bildest“, antwortete er lächelnd.
„Ich weiß nicht, ob ich meine Meinung ändere. Weshalb ich mir den Harem anschauen soll, ist mir ein Rätsel. Dort waren doch die Nebenfrauen des Herrschers untergebracht.“
„Richtig“, stimmte er ihr zu, während er die Hände in die Hosentaschen schob. „Früher wohnten aber auch die weiblichen Verwandten und Angestellten im Harem.“
„Und die Mätressen.“
„Die man damals Konkubinen nannte.“
„Oh, das klingt natürlich viel besser“, erwiderte sie ironisch.
Fragend zog er eine Augenbraue hoch. „Ist dir noch nie aufgefallen, dass du gern vorschnell urteilst?“
Beth verschränkte die Arme und betrachtete seine ernste Miene. „Das ist eine hinterhältige Frage. Egal, ob ich Ja oder Nein sage, ich würde in beiden Fällen indirekt zugeben, dass ich vorschnell urteile. Du formulierst deine Fragen sehr geschickt, weißt du das?“
„Wenn ich die Frage bejahe, unterstellst du mir, ich sei aufgeblasen und arrogant. Und wenn ich sie verneine, würde ich …“ Er verstummte und zuckte die Schultern. „Ach, vergiss es. Ja, mir ist bewusst, dass ich geschickt formulieren kann“, gab er lächelnd zu.
Sie schüttelte den Kopf und bemühte sich verzweifelt, ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Wie konnte sie diesem Mann widerstehen, der ungemein selbstbewusst war und über sich selbst lachen konnte? Er war auf liebenswerte Art arrogant, und sie fand es ziemlich schwierig, sich davon nicht beeindrucken zu lassen.
Unten angelangt, verließen sie den Aufzug, durchquerten die Halle und gingen hinaus in den weitläufigen Palastgarten, der
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