Das Magdalena-Evangelium: Roman
Magdalena und tut genau das. Aber war in der hebräischen Tradition die Salbung des Leibes für die Beisetzung nicht ausschließlich …«
»… ausschließlich der Ehefrau vorbehalten, ja«, vollendete eine männliche Stimme mit dem Hauch eines schottischen Akzents den Satz.
Maureen und Peter fuhren gleichzeitig zu dem Mann herum, der leise von hinten an sie herangetreten war. Er war eine stattliche Erscheinung, auf dunkle Weise gut aussehend und makellos gekleidet, doch obgleich seine Kleidung und sein Gebaren den Aristokraten verrieten, war an ihm nichts Überhebliches. Ja, alles an Berenger Sinclair war ein ganz kleines bisschen ungewöhnlich, eben völlig individuell. Sein Haar war perfekt geschnitten, doch zu lang, um je im House of Lords als angemessen durchzugehen. Sein Seidenhemd war von Versace statt von Bond Street. Die natürliche Arroganz, die mit angeborenenPrivilegien einhergeht, wurde von Humor gedämpft – einem schiefen und beinahe jungenhaften Lächeln, das sich vor allem zeigte, wenn er sprach. Maureen war vom ersten Blick an fasziniert und lächelte wie gebannt, als er mit seiner Erklärung fortfuhr.
»Nur der Ehefrau war es gestattet, den Mann für die Beisetzung vorzubereiten – es sei denn, er starb unverheiratet; dann fiel die Ehre seiner Mutter zu. Wie Sie auf diesem Gemälde sehen, ist Jesu Mutter eindeutig anwesend, und doch führt sie diese Aufgabe nicht aus. Das wiederum lässt nur einen Schluss zu.«
Maureen schaute zu dem Bild empor und dann wieder zu dem charismatischen Mann, der vor ihr stand.
»Dass Maria Magdalena seine Ehefrau war«, vollendete Maureen.
»Bravo, Miss Paschal.« Der Schotte verneigte sich theatralisch. »Aber verzeihen Sie mir. Ich habe meine Manieren vergessen. Berenger Sinclair, zu Ihren Diensten.«
Maureen trat einen Schritt vor, um seine Hand zu nehmen, und Sinclair überraschte sie, indem er sie lange festhielt. Er ließ sie einfach nicht los, vielmehr drehte er ihre kleine Hand in seiner größeren um und fuhr leicht mit dem Finger über den Ring. Wieder blitzte sein Lächeln auf, ein klein wenig verrucht bis in die Augenwinkel.
Maureen war völlig perplex. Sie hatte sich oft gefragt, wie dieser Lord Sinclair in Person sein würde. Was immer sie auch erwartet haben mochte, das hier war es nicht. Sie versuchte, nicht zu befangen zu erscheinen, als sie das Wort ergriff.
»Wer ich bin, wissen Sie ja bereits.« Sie stellte Peter vor. »Das ist …«
Sinclair fiel ihr ins Wort. »Father Peter Healy, natürlich. Ihr Cousin, wenn ich mich nicht irre. Und ein ausgesprochen gebildeter Mann. Willkommen in Paris, Father Healy. Selbstverständlich waren Sie schon einmal hier.« Er blickte auf seine elegante und sündhaft teure Schweizer Uhr. »Wir haben einpaar Minuten. Kommen Sie. Es gibt hier ein paar Dinge zu sehen, von denen ich glaube, dass Sie sie äußerst interessant finden werden.«
Sinclair sprach über die Schulter hinweg, während er durch die Kirche eilte. »Vergessen Sie übrigens den Führer, den sie hier verkaufen. Fünfzig Seiten, auf denen Maria Magdalenas Gegenwart hier vollkommen ignoriert wird – als könne man sie so dazu bewegen, einfach zu verschwinden.«
Maureen und Peter folgten ihm raschen Schrittes zu einem weiteren kleinen Seitenaltar. »Wie Sie sehen werden, finden sich in dieser Kirche wiederholt Darstellungen von ihr, und doch wird sie konsequent mit Nichtachtung gestraft. Hier ist ein wunderbares Beispiel dafür.«
Sinclair hatte sie zu einer großen und eleganten Marmorstatue geführt, einer Pieta, der klassischen Darstellung der Heiligen Jungfrau, die den Leichnam des Gekreuzigten in Armen hält. Rechts von der Jungfrau war Maria Magdalena in die Szene eingebunden worden, den Kopf an die Schulter der Muttergottes geschmiegt.
»Im Führer steht lediglich: ›Pieta, 18. Jahrhundert, Italien‹. Natürlich zeigt eine traditionelle Pieta die Jungfrau mit ihrem Sohn nach der Kreuzigung. Dass hier auch Maria Magdalena zu sehen ist, ist ausgesprochen ungewöhnlich, und doch wird es geflissentlich ignoriert.« Sinclair stieß einen dramatischen Seufzer aus und schüttelte den Kopf ob der Ungerechtigkeit des Ganzen.
»Und wie lautet Ihre Theorie dazu?«, fragte Peter ein wenig schärfer, als er beabsichtigt hatte. Irgendetwas an Sinclairs Art ging ihm unter die Haut. »Dass es irgendeine Kirchenverschwörung gibt, Maria Magdalena nicht mehr zu erwähnen?«
»Ziehen Sie Ihre eigenen Schlüsse, Father. Aber Folgendes will ich
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