Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
stimmt’s?«, meinte Destino. »Aber das gilt für viele der Himmlischen. Jeder Mensch hat eine Zwillingsseele, natürlich auch Sandro. Doch diese Seele lebte nicht zur Zeit der Renaissance, damit sie ihn nicht von seiner Kunst ablenken konnte. Für Sandro Botticelli war es wichtig, seine Liebe und Leidenschaft allein seiner Kunst zu schenken.«
»Aber auch er hatte das innige Verlangen, das ein Mensch verspürt, der sich nach Liebe sehnt«, meldete Petra sich wieder zu Wort. »Das lag daran, dass Sandros Zwilling in den himmlischen Gefilden verblieb und ihm von dort aus half. Wenn Sandro arbeitete, zapfte er die Energie seines himmlischen Zwillings an, und der war stets hilfreich zur Stelle. Botticelli konnte deshalb so viel erschaffen, weil er im Grunde zu zweit arbeitete – der eine Teil im Himmel, der andere auf Erden. Das ist auch der Grund, weshalb er beim Malen von einer Ekstase erfüllt war, die seine unerreichte Schaffenskraft bewirkte. Sandro litt weder unter Sehnsucht noch unter Einsamkeit. Dieser Schmerz trittnur dann ein, wenn zwei Seelengefährten in der gleichen Epoche auf Erden leben und nicht zueinanderfinden. Dann entsteht das sehnsüchtige Verlangen, einander zu suchen.«
Fasziniert lauschte Peter dieser unglaublichen Frau. Sie fesselte ihn: Sie war intelligent und leidenschaftlich und doch völlig im Einklang mit sich und ihrer Umgebung. Ist sie selbst eine der Himmlischen?, fragte er sich. Und hat sie sich so sehr ihrer Mission verschrieben, dass sie sich nie erlaubt hat, die Liebe eines Menschen kennenzulernen?
Auch Maureen war neugierig geworden, kannte sie doch ein paar Freunde, die einsam und unglücklich waren. »Mit anderen Worten: Jeder, der sich einsam fühlt, ahnt im Grunde, dass da draußen jemand lebt, der für ihn bestimmt ist?«
»Ja. Denn Gott ist immer gut, Maureen. Er würde nicht zulassen, dass wir voller Schmerz wiedergeboren werden und uns vergeblich nach einem Gefährten sehnen, den wir niemals finden können.«
Peter zeigte auf Roland und Tammy. »Ich glaube unbesehen, dass diese beiden füreinander geschaffen wurden. Aber vielleicht haben sie einfach nur Glück gehabt. Haben manche Menschen mehr Glück als andere? Soll ich glauben, dass jeder Mensch die Chance hat, solche Seligkeit zu erfahren?«
Petra atmete tief durch und legte sich sorgfältig ihre Antwort zurecht. »Wir alle sind dazu bestimmt, unsere Seelenzwillinge zu finden – so, wie wir dazu bestimmt sind, unser Schicksal zu erfüllen. Aber oft schaffen wir weder das eine noch das andere, denn beide Voraussetzungen sind miteinander verknüpft. Was ich damit sagen will … Es ist sinnlos, gezielt nach seinem Seelengefährten zu suchen, denn so wird man ihn – oder sie – niemals entdecken. Es gibt nur einen Weg, ihn zu finden: Man muss erst sich selbst finden.
Ich werde Ihnen ein Beispiel geben – mich selbst. Ich habe diese Art göttlicher Liebe in meinem Leben noch nicht erfahren. Dennoch glaube ich fest daran, dass sie auf mich wartet. Ich weiß, dass ich den Weg für meinen Seelenzwilling bereite, indem ichden Hieros gamos lehre und für alle verständlich mache – für jene, die ihre wahre Liebe gefunden haben und auch für die, denen dieses Glück noch nicht zuteil geworden ist.«
Peter erwog einen Moment, was Petra gesagt hatte. Das alles war neu für ihn, fremd und aufregend. »Werden Sie Ihren Seelengefährten denn erkennen, wenn Sie ihn sehen? Wird es Liebe auf den ersten Blick sein?«
»Über diesen Dingen liegt ein Schleier, Peter«, antwortete Destino an Petras statt. »Oft ist einer der beiden Gefährten dem anderen im Erkennen weit voraus.«
Als der Abschied nahte, trat Petra auf Tammy zu und bat: »Darf ich mal versuchen, ob ich das Baby fühlen kann?«
»Warum nicht«, sagte Tammy. »Aber ich glaube, es ist noch zu früh.«
»Nicht, wenn man Petra heißt«, warf Destino ein.
Petra beugte sich vor, legte ihre Hände sanft auf Tammys Bauch und schloss die Augen. Sanft strichen ihre Hände über die Wölbung ihres Leibes, hielten inne, bewegten sich weiter, hielten erneut inne. Vielleicht eine Minute lang ging es so; dann schlug Petra die Augen wieder auf und schüttelte leicht den Kopf, als wollte sie einen Nebel verscheuchen und ins Hier und Jetzt zurückkehren.
Mit einem sanften Lächeln wandte sie sich an Tammy. »Serafina.«
»Serafina?«
Petra nickte. »Es ist ein Mädchen. Haben Sie das nicht gewusst?«
Tammy schüttelte den Kopf und blickte Roland aufgeregt an.
»Ich
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