Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
danke euch für eure Treue und Unterstützung.«
Die Leute schrien erschrocken auf, als Lorenzo in Angelos Armen zusammenbrach. Er wurde in sein Bett getragen, während die Florentiner ihn bejubelten und in den Straßen »Il Magnifico!« und »Palle, palle, palle!« riefen. Nie waren Lorenzo und seine Familie beim Volk beliebter gewesen. Papst Sixtus und seine engstenAnhänger wurden als Verbrecher geschmäht. Die Bürger der Republik Florenz standen nun vereint hinter Lorenzo.
Die traditionelle Stadtregierung wurde abgeschafft; als Sofortmaßnahme gegen die Tumulte nach dem Massaker im Dom wurde ein Rat von zehn Medici-Anhängern gebildet. Dieser Rat, der lediglich kommissarisch arbeiten sollte, wurde die bestimmende Macht in einer Stadt, die nun de facto von den Medici regiert wurde.
In den nächsten zehn Jahren gehörte Florenz Lorenzo, der damit der mächtigste Mann in Europa wurde, ohne eine Krone zu tragen.
Das Schicksal der Medici wollte es, dass Fioretta Gorini am selben Morgen, als Giuliano im Dom zu Florenz ermordet wurde, an Kindbettfieber und Blutverlust starb. Zum Glück hatte sie kein Wort von dem Massaker gehört. Die letzte Botschaft, die sie von Giuliano erhielt, hatte von Liebe und Hoffnung gesprochen und dass seine Familie in die Verbindung eingewilligt habe. Kurz nachdem Fioretta Giulianos Brief erhalten hatte, schlief sie ein und träumte von ihrer wunderbaren Zukunft als Giulianos Frau und Mutter seiner Kinder. Es war ein Traum, aus dem sie nicht mehr erwachte.
Hätte Giuliano es an jenem Morgen nach Fiesole geschafft, wäre er gerade rechtzeitig eingetroffen, um die Hand der Geliebten zu halten, während sie zu Gott zurückkehrte.
Nun waren sie am gleichen Tag zum himmlischen Vater gerufen worden und in Ewigkeit vereint.
Lorenzo de’ Medici adoptierte den Knaben Giulio mit der Erlaubnis und dem Segen von Fiorettas Familie. Für den Rest ihres Lebens wurden die Gorini als Mitglieder der Medici betrachtet, und es fehlte ihnen an nichts. Der kleine Giulio wurde wie Lorenzos Lieblingssohn Giovanni aufgezogen, und die beidenKnaben standen sich so nahe wie Zwillinge. Sie spielten zusammen, sie lernten zusammen, sie kämpften Seite an Seite. Sie beendeten die Sätze des jeweils anderen und redeten in ihrer eigenen Kürzelsprache. Und wie viele Zwillinge hatten sie völlig unterschiedliche Persönlichkeiten: Giovanni besaß ein heiteres Gemüt, während Giulio ernst, ja mürrisch war. Obwohl Lorenzo ihn stets mit der gleichen Liebe behandelte wie seine eigenen Kinder, schien Giulio einen angeborenen Groll auf die Welt zu hegen, die ihn seiner leiblichen Eltern beraubt hatte. Oft musste sein Halbbruder, den Giulio schlicht »Gio« nannte, ihn aus seiner düsteren Stimmung befreien.
Das Schicksal der Knaben war so eng verflochten, als hätten sie den gleichen Schoß geteilt.
Die Kirche ist ein ungeheuerliches Zwitterwesen.
Über Jahrhunderte hinweg war es Tradition in der Kunst, die Kirche als ein Ungeheuer darzustellen, zumeist als Minotaurus, jene menschenfressende Bestie, die in den Tiefen des Labyrinths auf Kreta hauste. Das ist eine treffliche Beschreibung der Kirche, nicht wahr? Ein geheimnisvolles, monströses Zwitterwesen, halb auf Wahrheit gründend und halb auf Lüge. Ein Zwitter aus Liebe und Hass, Güte und Gier. Dieses Ungeheuer haust in einer uneinnehmbaren Festung und labt sich am Blut der Unschuldigen.
Ich habe mein monströses Zwitterwesen als Zentaur gemalt. Er ist ein elendes Wesen mit beschränktem Verstand, das für Sixtus und dessen Brut abscheulicher, durch Inzucht gezeugter Kreaturen steht, die keine Skrupel kannten, am Ostersonntag Unschuldige abzuschlachten. Hoffnungslos klammert der Zentaur auf meinem Gemälde sich an seine nutzlos gewordene Waffe. Man hat ihn gefangen. Die Wahrheit kommt ans Licht.
Der Zentaur wird mühelos von der erhabenen Pallas Athene gezügelt, der Göttin der Weisheit. Ich wollte zeigen, dass sie triumphierenwird, steht sie doch für die Wahrheit. Ich habe sie in ein Gewand gehüllt, das vollständig aus Medici-Emblemen besteht – Lorenzos ineinanderverschlungene Eheringe zum Beispiel –, und
habe sie mit Lorbeer umkränzt. Für jene, die Augen haben zu sehen, wird deutlich, dass Lorenzo der Liebling der weisen und mächtigen Göttin ist. Möge es stets so sein! Ich habe dieses Bildnis als Glücksbringer zu seinem und seiner Familie Schutz gemalt.
Euer ergebener
Alessandro di Filipepi, genannt »Botticelli«
Aus den geheimen
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