Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
Gral und die Bundeslade zu einem der meistgesuchten Gegenstände der Geschichte geworden. Allerdings sagte man der Lanze negative, zerstörerische Kräfte nach; manche glaubten sogar, sie sei von einem Dämon besessen.Doch ob böse oder nicht, Kriegsherren hatten die Lanze stets heiß begehrt, weil es hieß, sie bringe Glück in der Schlacht. Angeblich hatte Karl der Große die Lanze als geheimen Talisman benutzt, um mehr als vierzig Schlachten zu gewinnen, doch während seines letzten, achtundvierzigsten Scharmützels habe er die Lanze auf dem Schlachtfeld fallen lassen, worauf er den Tod fand. Daraufhin begann die Legendenbildung erst richtig: Der Besitz der Lanze konnte zu unbegrenztem Sieg, ja zur Eroberung der ganzen Welt verhelfen, ihr Verlust jedoch werde ihren letzten Besitzer unweigerlich töten.
Der berühmteste Anwärter auf die Lanze war Adolf Hitler. Hitler erzählte, wie er sie zum ersten Mal in der Wiener Hofburg gesehen habe. Er sei förmlich elektrisiert gewesen, als die Kraft der Lanze ihn ergriff. Angeblich hatte er gesagt: »Ich glaubte zu spüren, dass ich sie in einem früheren Jahrhundert der Geschichte schon einmal in Händen gehalten habe – dass ich selbst schon einmal Anspruch auf diesen Talisman der Macht erhoben und das Schicksal der Welt in den Händen getragen hatte.«
Von diesem Augenblick an war Hitler von der Schicksalslanze wie besessen. Er glaubte, ihr Besitz sei unabdingbar, um seine Weltherrschaftspläne zu verwirklichen. Unmittelbar nach dem Einmarsch in Österreich befahl er, die Lanze nach Nürnberg zu bringen. Als die Alliierten Europa zurückeroberten, ließ Hitler sie in einen unterirdischen Bunker schaffen, der eigens zum Schutz der Lanze und anderer kostbarer Artefakte erbaut worden war. Am 30. April 1945 nahmen die alliierten Streitkräfte den Bunker ein und konfiszierten die Schicksalslanze. Zwei Stunden später war Adolf Hitler tot.
Der amerikanische General George Patton war überzeugt davon, dass die Macht der Lanze real sei, und er studierte die Geschichte und Legenden, die sich um sie rankten. Er schrieb sogar Gedichte über die Lanze. Doch am Ende wurde die Schicksalslanze mit dem Rest der Hofburg-Sammlung nach Österreich zurückgebracht.
Berenger Sinclair hatte einem Forscherteam angehört, das vor einem Jahrzehnt in der Wiener Hofburg gearbeitet hatte, um Alter und Echtheit der Lanze zu bewerten. Das Projekt war von der Mutter Vittoria Buondelmontis, der Baronin von Habsburg, finanziert worden, die auch dafür gesorgt hatte, dass Berenger an der Seite ihrer Tochter im Team mitarbeiten konnte. Dort hatten Berenger und Vittoria einander zum ersten Mal gesehen, und tatsächlich waren sie sich in jenem Sommer in Österreich nähergekommen. Trotz der zwanzig Jahre Altersunterschied zwischen der jungen Schönen aus Italien und dem schottischen Ölmilliardär war Vittorias Familie mehr als bereit, eine Heirat zwischen beiden zu vermitteln. Es war eine Partie, wie sie nur im Himmel der Geheimgesellschaften zustande kommen konnte, eine Ehe, in der die reichsten und reinsten Blutlinien Europas zusammenkommen würden. Außerdem schienen Berenger und Vittoria gut zueinander zu passen. Beide widmeten ihre Zeit dem Forschungsprojekt; beide interessierten sich brennend für religiöse Artefakte und deren Verbindung zur Geschichte ihrer Familien.
Als die wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse veröffentlicht wurden, war die Enttäuschung groß: Die Hofburg-Lanze war nicht alt genug, um die authentische Waffe des Zenturio Longinus zu sein. Das Metall war nicht vor dem siebten Jahrhundert geschmiedet worden. Niemand war bitterer enttäuscht als die Baronin, für die es eine Sache der Ehre war, dass das Haus Habsburg die Lanze über Jahrhunderte hinweg gehütet hatte. Berenger erinnerte sich gut, dass auch Vittoria sehr bewegt gewesen war: Sie hatte geweint, als sich herausstellte, dass die Hofburg-Lanze bestenfalls eine Replik, wenn nicht gar eine Fälschung war.
Als das Projekt beendet wurde, kehrte Berenger nach Frankreich zurück, Vittoria nach Italien. Berenger hatte kein Interesse an einer Beziehung mit einem jungen Mädchen, denn genau das war sie für ihn. Er schätzte ihre Schönheit und Intelligenz, aber sie war zu der Zeit halb so alt wie er. Berenger hatte interessiert Vittorias Karriere in der Modebranche verfolgt – schon bald ziertesie die Titelseiten von Modemagazinen rund um die Welt –, aber gesehen hatte er sie erst wieder bei jener
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