Das Magdalena-Vermächtnis: Roman
über geheime Lehren Jesu veröffentlichen zu können, ohne sich damit Probleme einzuhandeln? Aber sie war geradezu besessen davon, die Wahrheit zu verkünden; etwas anderes kam ihr gar nicht in den Sinn. Maureen konnte einfach nicht begreifen, was an den Lehren Jesu gefährlich oder gar anstößig sein sollte. Es waren Lektionen über die Liebe, den Glauben und die Gemeinschaft. Was konnte schlecht oder schädlich daran sein? Warum wehrte die Kirche sich so vehement dagegen?
Peter war sein Leben lang Priester gewesen und kannte die Antwort auf die letzte Frage: weil solche Ideen etablierte Werte infrage stellten. Sie waren wie ein drohendes Erdbeben, das ein zweitausend Jahre altes Imperium, gegründet auf Geld und Macht, Einfluss und Aberglaube, niederreißen konnte. Maureens Buch bedrohte außerdem jeden, der seine Aktien in das Unternehmen Vatikan investiert hatte.
Die Konsequenz war, dass Maureen bedroht wurde – viel schlimmer, als ihr bewusst war. Peter hatte allein im letzten halben Jahr neunzehn Morddrohungen gegen sie aufgespürt. Die meisten schienen bloße Drohgebärden zu sein, andere jedoch waren erst gemeint, sodass Peter ihnen nachgehen musste.
Er war erleichtert, dass Maureen auf dem Weg nach Paris war und vor allem, dass sie bald alle zusammen nach Florenz fahren würden. Wenn er, Peter, und Berenger bei Maureen waren, war es nicht so leicht, an sie heranzukommen. Zwar kamen die schlimmsten Drohungen derzeit aus den Vereinigten Staaten, aber Maureen war auch in Italien nicht sicher – und das wussten ihre Feinde.
Im Fernseher lief CNN in englischer Sprache. Peter hatte den Nachrichten kaum Aufmerksamkeit geschenkt, doch plötzlich hörte er, wie der Kommentator den Namen »Sinclair« nannte. Peter schaute auf den Bildschirm und erblickte einen Mann, der in Handschellen vor einem Bürogebäude abgeführt wurde.
»Es war eine brisante Woche für die schottischen Ölmagnaten«, sagte der Nachrichtensprecher. »Heute wurde Alexander Sinclair, Direktor von Sinclair Oil, wegen Korruptionsverdachts verhaftet. Einzelheiten sind bisher nicht bekannt. Wir werden Sie jedoch auf dem Laufenden halten. Wie die meisten von Ihnen wissen, ist auch Berenger Sinclair, der ältere Bruder des Verhafteten, in die Schlagzeilen geraten, da das italienische Model Vittoria Buondelmonti ihn gestern der Vaterschaft ihres Sohnes bezichtigte.«
Peter stand einen Moment wie erstarrt da. Er konnte es nicht fassen. Berenger betete Maureen an! Wie konnte er da mit diesem Model in Verbindung gebracht werden? Peter zog sein Handy hervor. Vergeblich versuchte er, Maureen zu erreichen. Auch bei Berenger meldete sich nur der Anrufbeantworter.
Peter war ratlos. In Situationen wie diesen wusste er oft nicht, was er tun sollte und wie er den Menschen helfen konnte, die er liebte.
Die Priesterschaft hatte ihn gelehrt, Fragen des Glaubens zu beantworten, aber auf viele allzu menschliche Probleme des Lebens hatten ihn seine Jahre als Geistlicher nicht vorbereitet.
RRRRRRRRRRRRR
Vatikan, Bruderschaft der Heiligen Erscheinungen
Gegenwart
»Die Jungfrau Maria hat zugelassen, dass ihr einziger Sohn unter Schmerzen starb. Und er ist für euch gestorben, während er unvorstellbare Schmerzen litt!«
Felicity schrie diese Worte in die Menge, die sich im Versammlungssaal der Bruderschaft drängte. Heute waren mehr Zuschauer gekommen als je zuvor. Es hatte ein solcher Andrang geherrscht, dass die Bruderschaft sogar Leute hatte wegschicken müssen aus Angst, die Feuerwehr könnte anrücken und die Veranstaltung verbieten.
Felicity streckte einen Arm aus und deutete in die Menge. »Wie viele von euch würden ein solches Opfer bringen? Wie viele von euch würden für Gott leiden?«
Sie ließ ihrem Publikum keine Zeit zur Antwort. Schon während sie die letzte Frage rief, verdrehte sie die Augen. Gebannt wartete die Menge, was geschehen würde, denn genau das wollten die Leute sehen – das faszinierende Schauspiel eines Menschen, der mit fremden Zungen sprach.
Tatsächlich begann Felicity in einem seltsamen Kauderwelsch zu stammeln.
»Sie spricht in Zungen!«, rief jemand in der Menge, wurde aber von den Umstehenden rasch zum Schweigen gebracht, da alle fasziniert darauf warteten, was noch kommen würde. In gespannter Erwartung des Spektakels hatte niemand gemerkt, dass die Stimme Schwester Ursula gehörte, der älteren Nonne, die mittlerweile die Leitung der Bruderschaft übernommen hatte. Zusammen mit Felicity hatte sie den
Weitere Kostenlose Bücher