Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Das Magdalena-Vermächtnis: Roman

Titel: Das Magdalena-Vermächtnis: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
Vom Netzwerk:
Enthauptung des Riesen Holofernes, der ihr Volk terrorisiert hatte. Das Modell für die tapfere Judith war eindeutig dasselbe wie für die Madonnen.
    »Für alle diese Bilder hat Colombina Modell gesessen?«, fragte Maureen ungläubig. Als Destino nickte, fuhr sie fort: »Warum haben wir dann nie von ihr gehört? Wenn sie doch eine solche Inspiration für Botticelli war?«
    »Das hat zwei Gründe«, erklärte Destino. »Zunächst einmalist alles, was es über unsere Colombina zu wissen gibt, für die offizielle Geschichtsschreibung kontrovers. Zweitens fand Botticelli später eine andere, berühmtere Muse, die alle vorhergehenden in den Schatten stellte.«
    Er führte die Gruppe zu einem der berühmtesten Kunstwerke der Welt, der »Geburt der Venus«. Die nackte Göttin der Schönheit erscheint auf Erden. Sie steht in einer geöffneten Muschel, und ihr üppiges, rotgoldenes Haar umfließt ihren Leib.
    »Meine Freunde – darf ich Ihnen eine Schwester aus der Vergangenheit vorstellen? Simonetta Cattaneo de Vespucci. Doch nennen Sie sie ruhig ›Bella‹, das haben wir damals auch getan.«

Kapitel fünfzehn
    Genua
    1468
     
    I n einer Familie, die für ihre Schönheit gerühmt wurde, war die junge Simonetta Cattaneo die ungekrönte Königin. Man nannte sie La Bella, »die Schöne«. Nie zuvor hatte es ein so liebliches Mädchen mit so feinen Gesichtszügen gegeben. Am schönsten war ihr Haar, das jedem Betrachter sogleich ins Auge stach: Schon im Alter von zehn Jahren hing es üppig und samtig schimmernd bis zu ihrer Taille hinab, und es besaß einen wunderbar goldenen Pfirsichton. Ihre Augen waren von einem durchscheinenden Blau mit kupfernen Einsprengseln und funkelten vor Lebenslust. Ihre Haut war ungewöhnlich hell für eine Italienerin, selbst für eine Frau von hoher Geburt. An manchen Stellen waren Körper und Gesicht von hellen Sommersprossen bedeckt – »Engelsküsse«, wie ihre Familie sie nannte, denn sie hoben die Schönheit noch hervor, mit der Gott das Mädchen so reich beschenkt hatte. Simonetta war schon als Kind hochgewachsen, schlank und geschmeidig, und sie bewegte sich voller Anmut.
    Doch sie war nicht nur von ausgesuchter Schönheit, sondern auch von untadeligem Charakter. Ein sanftes Mädchen, das die Gabe der Einfühlsamkeit besaß. Viele Jahre lang sollte Simonettas Mutter die Geschichte erzählen, wie sie eines Frühlingsnachmittags ihre Tochter hatte weinen hören. Die Mutter hatte verzweifelt nach dem Kind gesucht, denn das Schluchzen war immer lauter erklungen. Endlich fand sie ihre Tochter im Rosengarten, wo sie inmitten der Blumen saß. Um sie her blühten dieRosen in Sonnenuntergangstönen von Rot bis Orange vor einem Meer aus kleineren weißen Blüten. Schmetterlinge mit großen, gelb und schwarz gemusterten Flügeln flatterten über Simonettas Kopf. Es war ein wunderschönes, idyllisches Bild – doch das junge Mädchen mit dem leuchtenden Pfirsichhaar hatte sein Gesicht der Sonne zugewandt und schluchzte herzzerreißend.
    »Was hast du, mein Kind?«
    Madonna Cattaneo eilte zu ihrer Tochter und schlang die Arme um das bebende Kind.
    »Ist das nicht … ist das nicht wunderschön?«, brachte Simonetta unter Tränen hervor. »Die Blumen und die Schmetterlinge. All das, was Gott für uns erschaffen hat. Könnte etwas schöner sein? Wie gut es uns doch geht, weil Gott uns so sehr liebt!«
    Die kleine Simonetta weinte vor Freude über die Schönheit der Welt. Diese reine, kindliche Wertschätzung der Schöpfung sollte ihr jeden Tag ihres Lebens erhalten bleiben. Die Lieblichkeit ihrer Seele strahlte wie ein Leuchtfeuer, das eines Tages die Welt berühren und die Menschen späterer Jahrhunderte beeinflussen sollte. An jenem Tag wurde deutlich, dass Simonetta eine Muse der Renaissance werden sollte.
    In der Nacht zuvor waren Simonettas Eltern die Chancen ihrer Tochter auf dem Heiratsmarkt durchgegangen. Simonetta war eine Cattaneo und konnte in ganz Italien eine gute Partie machen. Doch außer Florinen und Perlen konnte sie auch ihre außergewöhnliche Schönheit in die Waagschale werfen – und die war notwendig, wenn die Eltern wollten, dass ihre Tochter eine vorteilhafte Partie machte, indem sie in eine Florentiner Familiendynastie einheiratete. Dieses Unterfangen war für eine fremde Familie nicht einfach. Die Kultur der Florentiner verlangte von einer Braut neben einer reichen Mitgift auch Schönheit, Intelligenz und Witz. Es war kein Problem, ein hässliches Mädchen nach Rom oder in

Weitere Kostenlose Bücher