Das magische Land 1 - Der Orden der Rose
IHR herausgewachsen waren, schadeten IHR, wie jene Krankheit, die von den Ärzten Krebs genannt wurde, die den Körper, in dem sie wuchs, verschlingen konnte.
Eine solche Ausgeburt war am Morgen der Welt ausgeschlüpft. Zunächst war es ein kleines, kaltes Ding gewesen, eines von vielen, die sich durch das Fleisch der Mutter gegraben hatten. Aber es hatte gelernt, sich an Mächten zu nähren und sie in sich selbst aufzunehmen.
Der Appetit dieser Ausgeburt war unersättlich. Je mehr sie aß, desto größer wurde ihre Gier. Sie entwickelte ein Bewusstsein und lernte, die Magie auszuüben, aus der sie entstanden war. Sie machte Angehörige des Wildvolks zu ihren Sklaven und später auch Sterbliche und zwang sie, ihrem Willen zu dienen. Wenn sie erschöpft waren oder sich auflehnten, verschlang die Kreatur sie mit Körper und Seele.
Schließlich schloss sich eine kleine Gruppe von Sklaven zusammen und rebellierte. Eine Hand voll Götter und Dämonen vereinigte sich mit ihnen, und ein Gott, der stärker war als die übrigen, schickte seinen Sohn, um sie zu führen. So wurde die Schlange besiegt und in Ketten gelegt, aber niemand hatte die Macht, sie ganz zu zerstören. Einige fürchteten auch, dass die vollkommene Zerstörung der Schlange das Gefüge der Welt schwächen würde — so stark war die Schlange mit allem verwoben. Als die Schlange in Ketten lag, ging diese Angst zurück. Bei zu vielen Wesen verschwand sie ganz. Aber ob die Schlange nun befreit oder zerstört wurde — die Gefahr blieb bestehen.
Der Orden der Rose war der stärkste Gegner der Schlange. Indem der König den Orden zerstörte, machte er seinen Verbündeten den Weg frei. Jenen, die noch niemand gesehen hatte und deren Anblick sich niemand wünschen sollte. Einst waren sie Wesen aus dem Wildvolk, aber die Schlange hatte ihnen Kraft verliehen. Und jetzt waren sie grauenerregender als alles, was man sich vorstellen konnte.
Nicht nur die Sterblichen waren in Gefahr. Auch dieses Land war bedroht. Die Rose hatte an einem anderen Ort der Welt überlebt; die Insel war noch sicher. Dies würde nicht lange so bleiben, wenn die Schlange befreit wurde, aber bis das geschah — was alle Götter verhindern mochten —, konnten sie sich gegen die Gefolgsleute der Schlange erheben.
Das war der Grund, erklärte die Mutter, aus dem SIE den Rittern diesen Weg geöffnet hatte. SIE konnte und wollte ihnen nicht die Prüfungen und Gefahren dieses Landes ersparen, noch würde SIE seine Magie ihnen zu Gefallen zähmen. Es war so, wie Gereint es gesagt hatte: Sie mussten sich ändern oder sterben.
Averil wollte nicht sterben. Der Gedanke war klar und deutlich in ihrem Inneren. Wenn sie das zu einem Feigling machte, dann war das eben so. Die Mutter beugte ihr grob angedeutetes Gesicht zu Averil hinab. Die volle Wucht IHRER Aufmerksamkeit war fast mehr, als Averil aushalten konnte. Die Mutter nahm ihr gesamtes Wesen in sich auf: jeden Gedanken, jede Furcht.
Keine Geringschätzung war zu spüren; keine Andeutung, dass Averil IHRER Beachtung nicht würdig war. Averil war zwar in dem mächtigsten Orden ausgebildet worden, aber dennoch war sie durchdrungen von wilder Magie. Sie stand in seltsamer und bislang einzigartiger Verbindung zu einem gottgeborenen Magier. Sie war etwas Neues in der Welt.
Aus diesem Grund war es ihr erlaubt, an diesen Ort zu kommen, und nur deshalb war sie noch am Leben und frei, in ihre Welt zurückzukehren. Die Mutter gab ihr keinen Befehl und zwang sie zu keiner Entscheidung — aber für den Fall, dass Averil den Weg der Mutter wählte, gab es etwas, was sie als Gegenleistung geben musste.
Es war keine komplizierte Sache. Wenn Averil ihr Erbe antrat, würde sie die Grenzen des Herzogtums lockern. Sie würde die Luft frei machen für das Wildvolk und den Geistern der Erde und der Luft den Eintritt erlauben, wie er ihnen in früheren Zeiten gestattet war.
Einfach, aber trotzdem schwierig. Die Kirche und die Orden der Magier würden Einspruch erheben. Die Kraft ihrer Magie und die Macht ihrer Gebete würden die luftige Substanz des Wildvolks angreifen.
Als sie in die dunklen Augenhöhlen blickte und keinerlei Nötigung darin entdeckte, traf Averil ihre Entscheidung.
Die Mutter wandte sich ab. Averil taumelte in eine Welt ohne Leben und Licht, bis ihre Sinne sich so weit erholt hatten, dass sie wieder sehen konnte. Gereint und der Fremde warteten schweigend. Der Fremde bot keine Unterstützung, aber Gereint war wie immer zur Stelle, um sie
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