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Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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sind. Wo kommst du her?«
    »Aus Winchester«, sagte Will.
    »Nie gehört. Gibt es dort keine Gespenster?«
    »Nein. Hier sehe ich auch keine.«
    »Natürlich nicht!«, rief sie. »Du bist ja auch nicht erwachsen! Wenn wir erwachsen sind, sehen wir sie.«
    »Also ich habe keine Angst vor Gespenstern«, sagte der kleine Junge und schob sein dreckverschmiertes Kinn vor. »Die sollte man umlegen.«
    »Kommen die Erwachsenen denn überhaupt nicht mehr zurück?«, fragte Lyra.
    »Doch, in ein paar Tagen«, sagte Angelica, »wenn die Gespenster woanders hingehen. Wir finden es gut, wenn sie kommen, weil wir die Stadt dann für uns haben und tun können, was wir wollen.«
    »Aber was glauben die Erwachsenen, tun ihnen die Gespenster an?« fragte Will.
    »Wenn ein Gespenst einen Erwachsenen erwischt, sieht das wirklich übel aus. Das Gespenst frisst auf der Stelle alles Leben aus ihm heraus. Also ich möchte ganz bestimmt nicht erwachsen sein. Sobald die Erwachsenen merken, was passiert, weinen sie die ganze Zeit und versuchen wegzusehen und so zu tun, als sei gar nichts, aber es passiert ja trotzdem. Und es ist zu spät, und niemand darf in ihre Nähe, sie sind ganz allein. Dann werden sie blass und bewegen sich nicht mehr. Sie leben zwar noch, aber sie sind wie von innen leer gefressen. Durch ihre Augen sieht man die Rückseite ihrer Köpfe von innen. Da ist nichts drin.«
    Das Mädchen beugte sich zu ihrem Bruder hinunter und wischte ihm die Nase am Ärmel seines Hemdes ab.
    »Ich hol jetzt Paolo und mir ein Eis«, sagte sie. »Kommt ihr mit?«
    »Nein«, sagte Will, »wir haben etwas anderes vor.«
    »Dann auf Wiedersehen«, sagte das Mädchen, und Paolo fügte hinzu: »Legt sie um, die Gespenster!«
    »Auf Wiedersehen«, sagte Lyra.
    Sobald Angelica und der kleine Junge verschwunden waren, tauchte Pantalaimon mit zerzaustem Mausekopf und glänzenden Knopfaugen aus Lyras Brusttasche auf.
    »Sie wissen nichts von dem Fenster, das du entdeckt hast«, sagte er zu Will.
    Es war das erste Mal, dass Will ihn reden hörte, und es er  schreckte ihn mehr als alles, was er bisher erlebt hatte. Lyra lachte, als sie seine Verblüffung sah.
    »Er – aber er hat gesprochen – können alle Dæmonen sprechen?«, stotterte Will.
    »Natürlich!«, sagte Lyra. »Hast du gedacht, er sei so was wie ein Schoßhund?«
    Will fuhr sich mit den Händen durch die Haare und kniff ein paar Mal die Augen zusammen. Dann schüttelte er den Kopf. »Nein«, sagte er zu Pantalaimon, »ich glaube, du hast Recht. Sie wissen nichts davon.«
    »Wir müssen also aufpassen, wenn wir durchsteigen«, sagte Pantalaimon.
    Es war nur im ersten Moment seltsam, mit einer Maus zu reden. Dann war es nicht seltsamer als in ein Telefon zu sprechen, denn in Wirklichkeit unterhielt er sich ja mit Lyra. Trotzdem war die Maus nicht mit dem Mädchen identisch; in ihrer Miene lag zwar etwas von Lyra, aber zugleich noch et  was anderes. Will konnte nicht genau sagen was, zu viele seltsame Dinge passierten gleichzeitig. Er versuchte seine Gedanken zu sammeln.
    »Zuerst einmal brauchst du andere Kleider«, sagte er zu Lyra. »Ich meine, bevor du mein Oxford betrittst.«
    »Warum?«, sagte sie trotzig.
    »Weil du in solchen Kleidern nicht bei den Leuten in meiner Welt auftauchen kannst, sie würden dich nie in ihre Nähe lassen. Du musst aussehen, als seist du eine von ihnen. Du musst dich tarnen. Ich weiß das, wirklich, ich tue das ja seit Jahren. Hör auf mich, sonst wirst du erwischt, und wenn sie dann herausfinden, woher du kommst, und wie das mit dem Fenster ist und überhaupt … Diese Welt hier ist nämlich ein prima Versteck. Ich habe … ich muss mich vor bestimmten Leuten verstecken. Das hier ist das beste Versteck, das ich mir erträumen kann. Ich will nicht, dass es gefunden wird, und ich will nicht, dass du es verrätst, indem du komisch aus  siehst, als ob du gar nicht hergehörst. Auch ich habe Dinge in Oxford zu erledigen, und wenn du mich verrätst, bringe ich dich um.«
    Sie schluckte. Das Alethiometer log nie: Der Junge war ein Mörder, und wenn er zuvor getötet hatte, könnte er sie auch töten. Sie nickte ernst, und es war ihr auch ernst.
    »Einverstanden«, sagte sie.
    Pantalaimon hatte sich in einen Maki verwandelt und starrte Will mit aufgerissenen Augen an. Will starrte zurück, und der Dæmon verwandelte sich wieder in eine Maus und schlüpfte in Lyras Tasche.
    »Also«, sagte Will. »Solange wir hier sind, tun wir den anderen Kindern gegenüber

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