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Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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warmen Luft zu stinken begann.
    »Hier drin?«, fragte Lyra.
    »Nein, in der Mitte der Straße. Pass auf, dass kein anderes Kind da ist …«
    Aber sie waren allein. Will ging zum Grünstreifen unter den Palmen voraus und sah sich suchend um.
    »Ich glaube, es war ungefähr hier«, sagte er. »Als ich durch  stieg, konnte ich den großen Berg hinter dem weißen Haus da oben gerade noch sehen, und in dieser Richtung war das Cafe, und …«
    »Wie sieht es denn aus? Ich sehe nichts.«
    »Du würdest es sofort erkennen. Es sieht anders aus als al  les, was du je gesehen hast.«
    Er suchte den Mittelstreifen in beiden Richtungen ab. War das Fenster verschwunden? Hatte es sich geschlossen? Er konnte es nirgends sehen.
    Aber plötzlich entdeckte er es. Er bewegte sich vor und zu  rück, immer den Rand im Auge. Es war genau wie am Vorabend, als er es von Oxford aus entdeckt hatte; man konnte es nur von einer Seite aus sehen. Sobald man dahinter stand, war es unsichtbar. Auf der anderen Seite schien die Sonne genauso auf das Gras wie auf dieser Seite, aber trotzdem gab es kleine Unterschiede.
    »Hier ist es«, sagte er, als er sicher war.
    »Ah! Ich sehe es!«
    Sie war wie vom Donner gerührt und sah so verblüfft aus wie er, als er Pantalaimon hatte reden hören. Ihr Dæmon, der es nicht mehr in ihrer Tasche ausgehalten hatte, war in Gestalt einer Wespe herausgekrochen und flog summend einige Male zum Loch und wieder zurück, während Lyra mit den Fingern an ihren noch nassen Haaren drehte.
    »Geh zur Seite«, wies er sie an. »Wenn du davor stehst, sehen die Leute nur zwei Beine, und das würde sie nun wirklich neugierig machen. Ich will nicht, dass jemand aufmerksam wird.«
    »Was bedeutet der Lärm?«
    »Verkehr. Das ist ein Teil der Ringstraße von Oxford, des  halb gibt es da so viel Verkehr. Bück dich und sieh es dir von der Seite an. Eigentlich ist jetzt die falsche Tageszeit, um durchzugehen, es sind viel zu viele Menschen unterwegs. Aber wenn wir nachts durchgehen würden, könnten wir nirgendwohin. Wenigstens können wir, sobald wir durch sind, in der Menge untertauchen. Geh du zuerst. Steig einfach schnell durch und warte auf der anderen Seite auf mich.«
    Lyra trug einen kleinen, blauen Rucksack, seit sie das Cafe verlassen hatten. Jetzt nahm sie ihn ab und hielt ihn in den Armen; dann bückte sie sich, um durchzusehen.
    »Hu –«, entfuhr es ihr. »Und das ist deine Welt? So sieht es in Oxford nirgends aus. Bist du sicher, dass du in Oxford warst?«
    »Natürlich bin ich das. Wenn du durch bist, siehst du direkt vor dir eine Straße. Geh links und biege dann rechts ab. Diese Straße führt ins Stadtzentrum. Sieh dir genau an, wo das Fenster ist, und merke es dir. Es ist der einzige Weg zurück.«
    »Mach ich«, sagte sie. »Ich vergesse es nicht.«
    Den Rucksack in den Armen, stieg sie gebückt durch das Fenster in der Luft und verschwand. Will kauerte sich hin, um zu sehen, wohin sie ging.
    Und da stand sie, auf dem Rasen seines Oxford, Pan immer noch in Gestalt einer Wespe auf der Schulter, und soviel er sagen konnte, hatte niemand ihr Auftauchen bemerkt. Auf der anderen Seite rasten wenige Meter entfernt Autos und Last  wagen vorbei, und kein Fahrer hätte an dieser belebten Kreuzung Zeit gehabt, seitwärts auf ein merkwürdig aussehendes Stück Luft zu starren, selbst wenn er es hätte sehen können, und der Verkehr schirmte das Fenster vor Blicken von der anderen Straßenseite ab.
    Bremsen kreischten, ein Schrei gellte, gefolgt von einem dumpfen Schlag. Will warf sich hin, um zu sehen, was geschehen war.
    Lyra lag auf dem Gras. Ein Auto hatte so heftig gebremst, dass ein Lastwagen von hinten auf das Auto aufgefahren war und es nach vorn geschoben hatte, und da lag Lyra nun, regungslos –
    Will stürzte durch das Fenster. Niemand sah ihn auftauchen, alle hatten die Augen auf das Auto gerichtet, auf die ein  gedellte Stoßstange, den Lastwagenfahrer, der gerade ausstieg, und das Mädchen.
    »Ich kann nichts dafür – sie rannte vor mir auf die Straße«, sagte die Fahrerin des Autos, eine Frau mittleren Alters. Und zu dem Lastwagenfahrer sagte sie: »Sie sind zu dicht aufgefahren.«
    »Das ist doch jetzt egal«, sagte er. »Ist dem Kind was passiert?«
    Seine Frage galt Will, der neben Lyra kniete. Will hob den Kopf und sah sich um, aber jetzt konnte er nicht mehr weg, er war für Lyra verantwortlich. Auf dem Gras neben ihm bewegte Lyra den Kopf und versuchte angestrengt die Augen zu öffnen. Will

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