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Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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sind.«
    »Unsinn!«, sagte der Direktor. »Völliger Unsinn! Der Mann hat Ihnen einen Bären aufgebunden. Zivilisationen, die dreißigtausend Jahre alt sind? Ha! Wo sind die Beweise?«
    »Unter dem Eis«, sagte der Pole. »Das ist es ja. Grumman zufolge hat sich das Magnetfeld der Erde zu verschiedenen Zeiten in der Vergangenheit dramatisch geändert, und die Erdachse verlagerte sich auch, so dass bis dahin gemäßigte Zonen von Eis bedeckt wurden.«
    »Und warum soll das passiert sein?«, fragte der Yoruba.
    »Er hatte eine komplizierte Theorie. Doch entscheidend war, dass mögliche Spuren sehr früher Zivilisationen schon lange unter dem Eis begraben sind. Grumman behauptete, Photogramme ungewöhnlicher Steinformationen zu haben …«
    »Das ich nicht lache!«, sagte der Direktor. »Mehr nicht?«
    »Ich referiere ja nur, ich verteidige ihn nicht«, sagte der Pole.
    »Seit wann kennen Sie Grumman schon, meine Herren?«, fragte Lee Scoresby.
    »Lassen Sie mich überlegen«, sagte der Direktor. »Ich begegnete ihm vor sieben Jahren zum ersten Mal.«
    »Ein, zwei Jahre davor machte er sich mit einer Arbeit über die Schwankungen des Magnetpols einen Namen«, sagte der Yoruba. »Aber er kam aus dem Nichts. Ich meine, niemand hatte ihn als Studenten gekannt oder frühere Arbeiten von ihm gesehen …«
    Sie redeten noch eine Weile weiter, steuerten Erinnerungen bei und Mutmaßungen, was aus Grumman geworden sein könnte, obwohl die meisten glaubten, dass er wahrscheinlich tot war. Als der Pole aufstand, um Kaffee zu machen, sagte Lees Hasendæmon Hester leise: »Sieh dir den Skräling genauer an, Lee.«
    Der Skräling hatte bisher kaum etwas gesagt. Lee hatte ihn bis dahin für einen von Natur aus schweigsamen Menschen gehalten, doch als er in der nächsten Gesprächspause Hesters Aufforderung folgte und wie zufällig zu ihm hinübersah, entdeckte er, dass sein Dæmon, eine schneeweiße Eule, ihn mit leuchten  den orangefarbenen Augen anstarrte. Natürlich sahen Eulen so aus und starrten einen auch so an, aber Hester hatte Recht, der Dæmon strahlte eine Feindschaft und ein Misstrauen aus, von dem im Gesicht des Mannes nichts zu sehen war.
    Und dann sah Lee noch etwas anderes: Der Skräling trug einen Ring, auf dem das Symbol der Kirche eingraviert war. Plötzlich war ihm klar, warum er bisher geschwiegen hatte. Jedes philosophische Forschungsinstitut, so hatte er gehört, musste unter seinen Mitgliedern einen Vertreter des Magisteriums haben, der als Zensor fungierte und im Fall ketzerischer Entdeckungen deren Veröffentlichung verhinderte.
    Noch etwas fiel ihm ein, von dem er Lyra hatte sprechen hören, und er sagte: »Eine Frage, meine Herren – wissen Sie zufällig, ob Grumman sich je mit dem Thema Staub beschäftigt hat?«
    Sofort senkte sich Schweigen über das stickige, kleine Zimmer, und die Aufmerksamkeit aller Anwesenden konzentrierte sich auf den Skräling, obwohl niemand ihn direkt ansah. Lee wusste, dass Hester mit ihren halb geschlossenen Augen und den flach auf den Rücken gelegten Ohren eine undurchdringliche Miene bewahren würde, und sah deshalb bewusst unbeschwert und unschuldig von einem zum anderen.
    Bei dem Skräling hielt er inne und sagte: »Ich bitte um Entschuldigung – habe ich nach etwas Verbotenem gefragt?«
    »Wen haben Sie davon sprechen hören, Mr. Scoresby?«, fragte der Skräling.
    »Einige Passagiere, die ich vor einiger Zeit übers Meer flog«, sagte Lee heiter. »Sie sagten nicht, was es war, aber von der Art her zu schließen, wie sie darüber sprachen, schien es dieselbe Sache, die womöglich Dr. Grumman untersuchte. Ich hielt es für eine Art Himmelserscheinung wie die Aurora. Aber es beschäftigte mich, weil ich den Himmel als Aeronaut ziemlich gut kenne, von diesem Zeug aber noch nie gehört habe. Um was handelt es sich eigentlich?«
    »Um eine Himmelserscheinung, wie Sie sagen«, sagte der Skräling. »Es hat keinerlei praktische Bedeutung.«
    Wenig später beschloss Lee, dass es Zeit war zu gehen; er hatte nichts Neues in Erfahrung bringen können und wollte Umaq nicht länger warten lassen. Er überließ die Astronomen ihrem im Nebel eingeschlossenen Observatorium und begann vorsichtig den Pfad hinunterzusteigen, dicht hinter seinem Dæmon her, dessen Augen dem Boden näher waren.
    Sie waren erst zehn Minuten unterwegs, als im Nebel et  was an Lees Kopf vorbeisauste und auf Hester herunterstieß. Es war die Eule des Skrälings.
    Doch Hester hatte sie kommen hören und sich

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