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Das Magische Messer

Das Magische Messer

Titel: Das Magische Messer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Pullman
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Leute herum – sie vermaßen die Sterne und mussten exakt messen, sonst stauchte er sie zusammen, und meine Güte, er hatte eine Zunge wie Stacheldraht. Ein hagerer Mann, zäh, voller Energie, wollte alles wissen. Du weißt, dass er sich in einen Tatarenstamm aufnehmen ließ?«
    »Was du nicht sagst.« Lee Scoresby füllte Sams Glas wieder mit Wodka. Sein Dæmon Hester hockte neben seinem Ellbogen auf der Bar, die Augen wie gewöhnlich halb geschlossen, die Ohren flach auf den Rücken gelegt.
    Getragen von den Winden, die die Hexen geschickt hatten, war Lee an diesem Nachmittag in Nowaja Semlja eingetroffen und, nachdem er sein Gepäck untergestellt hatte, geradewegs ins Hotel Samirsky nahe der Fischverpackungsstation marschiert. Dort stiegen viele der einsamen Wanderer der Arktis ab, um Neuigkeiten auszutauschen, nach Arbeit zu suchen oder anderen Nachrichten zu hinterlassen, und auch Lee Scoresby war in der Vergangenheit schon verschiedentlich dort gewesen, um auf einen Auftrag oder Passagier oder den richtigen Wind zu warten. Seine Fragen fielen deshalb nicht weiter auf.
    Und da die Menschen spürten, dass um sie herum gewaltige Veränderungen vorgingen, war es nur natürlich, dass sie das Bedürfnis hatten, miteinander zu reden. Jeder Tag brachte Neuigkeiten: Der Jenissei war eisfrei, ein für diese Jahreszeit sehr ungewöhnlicher Zustand; ein Teil des Meeres war ausgetrocknet, und am Meeresgrund waren seltsame, regelmäßige Steinformationen sichtbar geworden; ein hundert Fuß langer Tintenfisch hatte drei Fischer aus ihrem Boot geholt und in Stücke gerissen …
    Und von Norden her wälzte sich weiterhin undurchdringlich und kalt der Nebel über das Land, gelegentlich getränkt mit einem seltsamen Licht und belebt von rätselhaften Schatten und geheimnisvollen Stimmen.
    Insgesamt war es eine schlechte Zeit für alle, die Arbeit suchten, deshalb war die Bar des Samirsky voll.
    »Sagtest du Grumman?«, mischte sich ein Mann ein, der neben ihnen an der Bar saß, ein älterer Mann in einer Montur aus Seehundfell, aus deren Tasche bewegungslos sein Dæmon in Gestalt eines Lemmings herausblickte. »Es stimmt, dass er Tatar war. Ich war dabei, als er in den Stamm eintrat, und ich sah, wie er sich ein Loch in den Schädel bohren ließ. Er hatte noch einen anderen, einen tatarischen Namen; er fällt mir sicher gleich ein.«
    »Das ist ja interessant«, sagte Lee Scoresby. »Lass dich zu einem Drink einladen, mein Freund. Ich interessiere mich für Nachrichten von diesem Mann. In welchen Stamm ist er ein  getreten?«
    »In die Jenissei-Pachtars am Fuß der Semjonowberge, in der Nähe des Zusammenflusses von Jenissei und, ich habe vergessen, wie er heißt, ein Fluss, der aus dem Gebirge kommt. Neben dem Landungssteg steht ein Felsblock so groß wie ein Haus.«
    »Ach ja, richtig«, sagte Lee, »ich erinnere mich. Ich bin schon darüber geflogen. Und Grumman ließ sich ein Loch in den Schädel bohren, sagst du? Warum das?«
    »Er war Schamane«, sagte der alte Seehundjäger. »Ich glaube, der Stamm erkannte ihn als Schamanen an, bevor er ihn auf  nahm. Ein langwieriges Geschäft, dieses Bohren. Es dauert zwei Nächte und einen Tag. Sie verwenden einen Bogenbohrer, wie zum Feuermachen.«
    »Aha, das erklärt, warum seine Leute ihm so bedingungslos gehorchten«, sagte Sam Cansino. »Sie waren das hartgesottenste Pack Halunken, das ich je sah, aber auf seinen Befehl rannten sie los wie aufgescheuchte Kinder. Ich führte das auf sein Fluchen zurück, doch wenn sie ihn für einen Schamanen hielten, passt das noch besser. Aber die Neugier dieses Mannes war so unersättlich wie der Rachen eines Wolfes; nie ließ er locker. Ich musste ihm alles, wirklich alles über die Gegend dort und die Gewohnheiten von Vielfraß und Fuchs erzählen. Und er hatte schreckliche Schmerzen von dieser dämlichen Falle von Jakowlew; er wollte keinen Verband über der Wunde, führte schriftlich über die Wirkung von diesem Blutmoos Buch, maß sein Fieber, beobachtete, wie sich die Narbe bildete und machte Notizen über alles Erdenkliche … ein seltsamer Mensch. Eine Hexe verliebte sich einmal in ihn, aber er wies sie zurück.«
    »Tatsächlich?«, fragte Lee, die schöne Serafina Pekkala vor Augen.
    »Das hätte er nicht tun sollen«, sagte der Seehundjäger. »Wenn dir eine Hexe ihre Liebe anträgt, solltest du annehmen. Sonst bist du selbst schuld, wenn dir etwas Schlimmes zustößt. Du hast sozusagen die Wahl: Segen oder Fluch. Eins von beiden

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