Das Matrazenhaus
und dich noch einmal auf den Kopf haut.« Der Bub hob die Augen. »Und auf die Schultern und auf den Rücken«, sagte er.
»Dorthin auch?«
»Ja, das gehört so?«
»Wer sagt das?«
Der Bub zog die Verschlusskapsel von der Trinkflasche.
»Wer sagt, dass es so gehört: auf den Kopf, auf die Schultern und auf den Rücken?«
Der Bub hob die Flasche zum Gesicht, schloss das rechte Auge und blickte mit dem linken in den Flaschenhals hinein. »Da drinnen ist es auch schwarz«, sagte er. »Warum gibst du mir keine Antwort?«, fragte Horn.
Der Bub hielt den Flaschenhals vors rechte Auge. Da es ihm nicht gelang, das linke zuzukneifen, presste er den Zeigefinger aufs Oberlid.
»Wenn ich rede, passiert mir das Gleiche.«
»Was heißt: Es passiert dir das Gleiche?«
Der Bub klickte den Verschluss auf die Flasche und stand auf. »Sie sagt, wenn ich rede, passiert mir genau das Gleiche, das Schlimme, über das ich nicht reden darf. Darf ich jetzt gehen?« Horn wandte sich zur Polizistin. Sie zog die Brauen hoch und zuckte mit den Schultern. Ja, er dürfe jetzt gehen, sagte Horn.
In der Tür wandte sich der Bub noch einmal um. Satan sei auch schwarz, das habe er vergessen zu sagen, er sei schlauer als jeder Mensch und habe einen weißen Brustfleck. Er beherrsche sämtliche Kommandos, auch die geheimen, die man im Kurs gar nicht lerne.
Die Kriminalpolizistin klappte ihr Notizbuch zu und erhob sich. Der Bub habe während der gesamten Autofahrt über Satan gesprochen, erzählte sie, darüber, dass er pro Tag nur eine Handvoll Flocken fresse und, wenn es erforderlich sei, halte er es überhaupt ganz ohne Futter aus, außerdem, dass er der beste Vermisstenfinder der Welt sei, und daher mache ihm der Gedanke, dass er einmal verlorengehen könne, überhaupt keine Sorgen.
»Das heißt, man weiß nicht so genau, ob Satan ein gewöhnlicher Hund ist?«, fragte Horn. »Genau«, sagte die Polizistin und lachte. Im Gegenlicht lag ein goldener Schimmer auf ihrem Haar. Horn überfiel eine Sekunde lang der Wunsch, darin herumzuwühlen.
Das Verwunderliche sei, sagte er dann, dass der Knabe gar nicht traumatisiert wirke, sondern eher so, als habe er ein Versprechen abgelegt, eine Art Gelübde. Ein Gelübde, das mit einer massiven Bedrohung verknüpft sei, sagte die Polizistin, beinahe, als wäre die Hölle gemeint. Sie lässt sich ein auf die Dinge und sie hat Phantasie, dachte Horn. Dann dachte er daran, dass ihm die Geschichte relativ simpel und in Wahrheit ein wenig überzogen vorkam und dass es für ihn nur eine offene Frage gab, nämlich, warum der Bub am Schluss von einer Sie gesprochen hatte.
»Das ist einfach«, sagte die Polizistin, »sie. Die schwarze Glocke. Das wissen wir seit heute.«
Sieben
»Die Waffe des Verbrechers oder der Zahn des wilden Tiers?«, fragte Lefti und wies auf Ludwig Kovacs’ rechten Unterarm. »Kompetenzüberschreitung plus Altersschwachsinn«, sagte Kovacs. Von Alter könne bei ihm wohl keine Rede sein, sagte Lefti und Kovacs brummte, das maghrebinische Schleimen könne er sich bitte sparen.
Lefti warf ein weißes Leinentuch mit blauen Streifen über den runden Terrassentisch und stellte eine glasierte Olivenölflasche aus Ton in die Mitte. »Alles wie immer, nehme ich an, Kommissar. Und der Verband sieht ziemlich nach Pfusch aus, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf«, sagte er. Er brauche deswegen nicht gleich grob zu werden, antwortete Kovacs. Außerdem dürfe er ihm gern zeigen, wie man als Rechtshänder das bewerkstelligen solle. Er würde in so einem Fall gar nichts bewerkstelligen, sagte Lefti, sondern den verwundeten Körperteil jenen Händen überlassen, denen er seinen Körper im Allgemeinen am liebsten anvertraue. »Du sprichst so schön über deine Frau, dass man dir manchmal auf der Stelle eine runterhauen möchte«, sagte Kovacs. Lefti blickte ihn erschrocken an. »Keine Sorge, ich tu’s nicht«, sagte Kovacs. Lefti verbeugte sich höflich.
Eine Verletzung, die wehtat, plus eine überempfindliche Partnerin plus eine Tochter, die es auf sein Geld abgesehen hatte – das war keine gute Kombination. Außerdem hockte links von ihm eine Gruppe lärmender Kärntner und schräg rechts eine junge Familie mit einem Säugling, der plärrte, obwohl ihm die Mutter mit Nachdruck das Fläschchen in den Mund rammte. Es gab Momente, da mochte Ludwig Kovacs keine Menschen. Sein Blick wanderte das Ufer entlang, von der biologischen Beobachtungsstation über die Schilfzone am Achenabfluss,
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