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Das Maya-Ritual

Das Maya-Ritual

Titel: Das Maya-Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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ausdrücken wollte.
    Als sie zwei Tage später wieder erschien, lag er ausgestreckt auf dem Bett, und im ersten Moment dachte sie, er sei tot.
    Ich fragte, warum sie das geglaubt habe. Sie schnitt ein Gesicht, zog den Mund nach unten und drückte ihre Wangen ein.
    » Flaco?«, riet ich und meinte dünn.
    Maria suchte stirnrunzelnd nach dem spanischen Wort, das sie brauchte. »Calaca«, sagte sie schließlich.
    »El Dia de los Muertos?«, erwiderte ich.
    »Si, si«, entgegnete sie begeistert und stand mit angelegten Armen da, den Hals steif wie ein Zombie.
    Calaca war der Begriff, der bei den Ritualen am Totentag benutzt wurde, um ein Bild des Sensenmannes, des Todes selbst, zu beschreiben.
    Dann stieß sie mir ein paar Mal den Zeigefinger in Wangen und Stirn, um auf irgendetwas hinzuweisen, was die Male oder Schwellungen betraf, und verwandte dazu Worte, die ich nicht begriff. Sie überlegte einen Moment, ging dann zurück in ihr Haus und kam kurz darauf mit dem grellroten Lippenstift ihrer Tochter wieder heraus. Sie malte sich mit dem Stift runde Flecken auf Wangen, Hals und Stirn.
    Binnen zwei Tagen war Ken Arnold also fast zum Skelett abgemagert, die Haut von blutigen Wunden entstellt.

15
    Um fünf Uhr begann es heftig zu regnen, und als wir uns drei Stunden später anschickten, die Wohnung zu verlassen, goss es immer noch. An mehreren Stellen im Haus tropfte Wasser von der Decke, darunter an einem Beleuchtungskörper im Wohnzimmer, was Deirdre beunruhigend fand. »Du könntest durch einen Stromschlag umkommen, du musst das reparieren lassen.«
    Ich lachte. Ich lebte lange genug auf Cozumel, um zu wissen, dass man undichte Häuser hier einfach hinnahm; nach Ansicht der Leute regnete es nicht so häufig oder anhaltend, dass es sich gelohnt hätte, Gebäude dagegen zu sichern. Als ich andererseits zu Weihnachten in Irland war, schien es die ganze Zeit zu regnen. Aber dort war das Klima natürlich feucht, und man baute entsprechend.
    Den nächsten Kulturschock erlebte Deirdre, als wir im Taxi zum Restaurant fuhren und mehrere überflutete Straßen durchpflügen mussten, wobei Wasser unter den Türen eindrang; damit nicht genug, tropfte es vom Dach auch noch auf ihren Platz auf dem Rücksitz. Sie versuchte dem Wasserfluss mit Papiertaschentüchern Einhalt zu gebieten, die sich prompt voll saugten und ihr klatschend in den Schoß fielen. Deirdres Reaktion war typisch für ihren sarkastischen Humor - sie bat mich, den Fahrer zu fragen, ob er die Spezialeffekte extra berechnete.
    Während wir einen weiteren Tümpel umfuhren, fragte sie: »Wenn es an einem verregneten Abend schon so aussieht, was passiert dann bei einem Hurrikan?«
    »Bei einem Hurrikan geht man einfach nicht raus, weil die Gefahr besteht, von umherfliegenden Trümmern verletzt zu werden. Deshalb bringen wir auch sturmfeste Läden an den Fenstern an. Und… ach ja, wir kaufen massenhaft Moskitoabwehrmittel:«
    »Wieso das?«
    »Das größte Problem ist, dass der elektrische Strom ausfällt und damit auch die Klimaanlagen. Dann lassen wir die Fenster Tag und Nacht offen, und so kommen jede Menge Fliegen und Insekten ins Haus. Der letzte große Stromausfall dauerte eine ganze Woche.«
    »Aha, das erklärt die vielen Kerzen in der unteren Schublade.«
    »Und die Reservedosen mit Tunfisch, die getrockneten Bohnen und Cracker - wenn ein schlimmer Sturm im Anmarsch ist, räumen sie in den Läden die Regale leer.«
    »Hmpf.« Deirdre gab auf dem Rücksitz ein abfälliges Geräusch von sich.
    Ich drehte mich um. »Was hast du?«
    »Tunfisch? Nicht zu fassen, dass du den fortgesetzten Raubbau an den Tunfischbeständen unterstützt.«
    Ich krümmte mich innerlich. Sollte ich den Versuch einer Verteidigung machen, indem ich darauf hinwies, dass es sich nicht um Blauflossentunfisch handelte? Lieber nicht. »Na ja… äh…«
    »Es widert mich an, wenn ich sehe, wie sie auf dem Tokioter Fischmarkt für riesige Summen versteigert werden. Diese wunderschönen Fische. Aber eines Tages, Jessica…« Sie sah mich wissend an.
    Ich hatte keine Ahnung, worauf sie hinauswollte. »Was wird eines Tages sein?«
    »Eines Tages wird es keinen Tunfisch mehr geben.«
    »Ja, du hast ja Recht… ah, wir sind da.«
    Ich war ein wenig verlegen. Das Thema geplünderter Fischbestände tauchte zur Unzeit auf, da sich das La Isla , in dem ich einen Tisch für uns reserviert hatte, eines umfangreichen Fischangebots rühmte.
    Ich hatte um einen Tisch auf der rückwärtig gelegenen Terrasse

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