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Das mechanische Herz

Das mechanische Herz

Titel: Das mechanische Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dru Pagliassotti
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regiert wie Ondinium, Taya. Ich weiß, es gibt viele Leute, die unsere Handelsbeschränkungen für egoistisch halten, aber der Rat hat die Lektionen des letzten Krieges noch nicht vergessen.“
    Taya nickte langsam. Der letzte Krieg hatte Jahrhunderte zuvor stattgefunden und bis vor die Tore der Stadt vordringen können, weil sich der Feind im Besitz von Ondiumbooten und flüssigem Feuer befand – beides hatte das Königreich Ondinium damals an andere Länder verkauft. Ondinium hatte den Krieg gewonnen, aber erst, nachdem die Hälfte der Bevölkerung umgekommen und die Stadt bis auf die Grundmauern niedergebrannt war. Das auf diesen Schicksalsschlag folgende gesellschaftliche Chaos hatte den Sturz der Monarchie zur Folge gehabt. Nach Jahren der Unruhen, in denen das uralte Kastensytem eine vollständige Metamorphose durchleben musste und große soziale Umwälzungen stattgefunden hatten, war endlich die jetzige Republik entstanden.
    Seit dieser Zeit weigerte sich Ondinium, seine Metalle und Waffen an andere Länder zu verkaufen, und der Bau von Fahrzeugen aus Ondium war streng verboten. Jede Generation hatte bisher mindestens einen jungen Idealisten hervorgebracht, der darauf hinwies, wie überkommen das Ikariersystem doch sei und wieviel besser es wäre, würden die Flugausrüstungen so konstruiert, dass die Arme des Trägers frei blieben, wieviel effektiver der Transport von Paketen in kleinen Booten aus Ondium vonstatten gehen könnte, und in jeder Generation erinnerten ältere und weisere Politiker den Idealisten daran, dass es unmöglich ist, mit einer Waffe zu kämpfen, wenn die Arme in Metallflügeln stecken.
    „Ich habe dich nicht überzeugen können.“ Alister ließ Taya nicht eine Sekunde lang aus den Augen.
    „Ich glaube, ich verstehe einfach nicht, warum Lars so aufgewühlt war, als er das Verschwinden der Maschine entdeckte.“
    „Wahrscheinlich fürchtet er, man könnte das Team verdächtigen, beim Raub die Finger im Spiel gehabt zu haben.“
    „Die Programmierer wurden nach Eurer Verhaftung alle zum Verhör einbestellt.“
    „Sie wussten nichts von meinen Zielsetzungen.“
    „Ihr seid sehr darauf bedacht, den Ruf anderer zu schützen.“
    „Warum sollte ich irgendwen dem Henkersbeil ausliefern? Oder dem Blendeisen – wie immer die Sache ausgehen mag. Ich bin kein bösartiger Mann. Ich will nur das Beste für Ondinium.“
    Taya atmete langsam aus. Wie konnte Alister so ruhig bleiben, wie konnte er so gelassen über sein Schicksal sprechen? Ob sie, befände sie sich in ähnlicher Lage, ebensolche Furchtlosigkeit aufbrächte? Das konnte sie nur hoffen. „Ich werde sehen, was ich tun kann.“ Taya griff nach ihren Krücken und stand langsam auf. „Es kann allerdings eine Weile dauern.“
    „Ich laufe nicht weg“, sagte Alister mit einem unglücklichen Grinsen. Taya nickte. Tief in Gedanken versunken humpelte sie durch den Vorhang.
    ***
    Sie hielt kurz an einer Poststelle, um Cassi eine Nachricht zukommen zu lassen, ehe sie sich zum Hauptquartier der Liktoren in Sekundus aufmachte.
    Dort kauerte Lars in einer Ecke des Eingangsbereichs, zerzaust und einem Bären ähnlicher denn je. Seine düstere Miene hellte sich auf, als Taya hereinkam, und er beeilte sich, auch ihr einen Stuhl zu beschaffen.
    „Er ist da drin.“ Er wies mit dem Kinn auf eine der rückwärtigen Türen. „Zuerst gab es lautes Geschrei, aber seit einiger Zeit ist es ziemlich still geworden.“
    „Haben sie schon irgend etwas wegen der Maschine unternommen?“
    „Der Hauptmann hat ein paar Liktoren losgeschickt, die das Universitätsgebäude sichern und Fragen stellen sollen. Ich nehme an, die löchern gerade meine Gruppe und die Ingenieure, die am Prototyp gearbeitet haben. Konntest du mit Alister reden?“
    „Er schlägt einen Deal vor.“
    „Dann weiß er etwas.“
    „Er hat zumindest einen Verdacht.“
    „Geht es ihm soweit ganz gut?“
    Taya warf dem massigen Programmierer einen mitfühlenden Blick zu. Lars hatte ein gutes Herz, sie konnte sehen, dass er selbst jetzt noch an der Schuld seines alten Freundes und Vorgesetzten zweifelte.
    „Er macht sich Sorgen, immerhin erwartet ihn eine schwere Strafe. Aber gesundheitlich geht es ihm gut, und er hat eine bequeme Zelle.“
    „Na ja, er ist Erhabener. Da hat man wohl einige Vorteile.“
    „Bis sie ihn aus der Kaste werfen.“
    Lars strich sich nervös über die feine Spirale auf seinem linken Wangenknochen – die Vorstellung schien ihm Unbehagen zu bereiten.

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