Das mechanische Herz
es noch viel zu früh.“ Taya nahm ihre Krücken und ließ sich von Cassi beim Aufstehen helfen.
„Solange nicht die Gefahr besteht, dass du dich mit der zweiten Wahl zufriedengibst ...“
„Nein. Die zweite Wahl, das wäre wohl Alister gewesen.“
„Wollen wir dann fahren, Ikarierin?“, erkundigte sich Gregor, woraufhin Taya sämtliche müßigen Spekulationen erst einmal ad acta legte, um sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.
„Ja. Kennst du das Siechenhaus der Liktoren in Sekundus? Ein paar Straßenzüge von deren Hauptquartier entfernt?“
„Ich kenne ein Siechenhaus in der Gegend. Ob es den Liktoren gehört, entzieht sich meiner Kenntnis.“
„Dann Lass uns losfahren. Zieh die Rüstung aus, Cassi, ich will mich im Wagen mit dir unterhalten.“
„Eigentlich müsste ich ja arbeiten.“ Cassi warf einen besorgten Blick auf die Landebahnen hoch über den Klippen. „Ach was!“ Sie warf den Kopf zurück. „Ein paar Minuten werden sie mich schon noch entbehren können, ohne dass es groß auffällt.“
„Ich finde, ihr wärt momentan eine große Hilfe für die Liktoren. Pyke und du.“
„Wirklich?“ Cassi löste schon die ersten Verschlüsse am Geschirr. „Wissen die, dass du uns darum bittest?“
„Noch nicht. Aber ich informiere Cristof, wenn ich ihn heute abend sehe.“
„Wunderbar! Da haben wir doch wenigstens alle Abmahnungen in unseren Akten, wenn das hier vorbei ist.“
Leicht war es nicht, Cassis Flügel in der Kutsche unterzubringen, und für die beiden Frauen wurde es neben dem unhandlichen Apparat ungemütlich eng, als die Droschke hinunter nach Sekundus ratterte. Rasch berichtete Taya Cassi alles, was sie über die verschwundene analytische Maschine und den ebenfalls verschwundenen Chefprogrammierer wusste.
„Bist du sicher, dass Alister Forlore nicht irgendwie die Finger im Spiel hat? Ziemlich viele Sachen auf einmal, wenn du mich fragst, und das soll alles Zufall gewesen sein? Geheime Programme, analytische Maschinen ...“
„Meiner Meinung nach wurde der Raub von langer Hand vorbereitet, und die Diebe haben sich lediglich das Durcheinander nach Alisters Verhaftung zunutze gemacht, um zuzuschlagen.“
„Das wäre denkbar.“ Cassi runzelte die Stirn. „Wie kommen Pyke und ich jetzt ins Spiel?“
„Ihr könnt die Augen offenhalten. Achtet auf Droschken voller Kisten, die sich zu ungewöhnlichen Tageszeiten durch die Stadt bewegen. Oder vielleicht fällt euch auch ein Haus auf, das eigentlich leersteht, in dem aber plötzlich ungewöhnliche Aktivitäten zu beobachten sind. Liktoren sehen immer nur die einzelnen Sektoren, Ikarier haben den Überblick über die ganze Stadt. Wenn wir die Augen offenhalten ...“
„Wenn Pyke und ich die Augen offenhalten, wolltest du sagen. Du bleibst mit den Füßen hübsch am Boden.“
„Du weißt, was ich meine.“
„Fliegen da nicht schon längst militärische Ikarier und beobachten alles?“
„Klar, aber die Militärs kennen die Stadt nicht so gut wie wir.“
„Wenn wir etwas Verdächtiges sehen, sagen wir den Behörden Bescheid?“
„Genau. Pyke hat doch auch noch diese ganzen seltsamen konspirativen Kontakte. Vielleicht kann er auf die Weise etwas herausfinden.“
„Vielleicht.“ Cassi brachte es fertig, das Wort unbeschreiblich in die Länge zu ziehen. „Gut. Ich frage mal rum.“
„Aber noch niemandem sagen, dass eine Maschine entwendet wurde. Die Liktoren haben die Information noch nicht freigegeben.“
Die Droschke wurde langsamer, um gleich darauf am Straßenrand zu halten. Taya warf einen Blick aus dem Fenster. Ja, das war das Siechenhaus, das sie vor wenigen Tagen in Begleitung Leutnant Amcathras besucht hatte. Sie erkannte es auf den ersten Blick wieder.
„Sagst du Pyke Bescheid?“
„Klar doch.“ Mit Gregors Hilfe zerrten sie die Flügel aus der Kutsche, und Cassi legte sie an. „Soll ich dann später in dieser Locherkneipe nach dir suchen?“
„Kannst du mir dann meinen Harnisch mitbringen? Nur für den Fall, dass ich es vorher nicht zurück zum Horst schaffe?“
„Wenn Pyke ihn aus der Werkstatt loseisen kann.“ Cassi streifte sich die Fliegerhandschuhe über. „Pass auf dich auf! Dass mir niemand auf dich schießt!“
Taya winkte der Freundin nach, bat Gregor, mit der Droschke auf sie zu warten, und hinkte zum Eingang des Siechenhauses. Eine Schwester führte sie in das Zimmer, das sie schon einmal besucht hatte. Dem Demikaner schien es deutlich besser zu gehen: Er saß auf einem
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