Das mechanische Herz
und such morgen als erstes einen Arzt auf.“ Cristof klang streng.
„Das werde ich.“ Der Befehlston missfiel Taya, besonders aus dem Mund eines Mannes, der gerade noch großartig so getan hatte, als seien Ikarier und Erhabene gleichgestellt. Nur mit Mühe konnte sie ihren Wunsch unterdrücken, ihn auf diesen Widerspruch hinzuweisen. „Ich ...“
Während die Uhren im Laden mit ihren hundert verschiedenen Glocken Mitternacht schlugen ...
... erschütterte eine laute Explosion die nahestehenden Häuser und ließ den Boden erzittern.
Taya wirbelte herum. Irgendwo in der Ferne ragte eine Flammensäule in den Himmel. Sie trat einen Schritt vor.
„Nein!“, fuhr Cristof sie an.
„Sie brauchen ...“
„Darum kümmern sich andere.“ Cristof packte sie energisch am Arm. „Dein Apparat ist kaputt, du selbst bist verletzt. Du brächtest lediglich dich und den Rest der Rettungsmannschaft in Gefahr.“
Mit einem finsteren Lachen entzog sich Taya seinem Griff.
„Tut mir leid, Erhabener. Auf mich wartet Arbeit. Ich habe keine Zeit, darüber mit Euch zu streiten.“
Fluchend musste er mit ansehen, wie sie die Straße hinunterrannte, bis sie die Flügel heben und einen Wind erhaschen konnte.
Kapitel 4
D er Koch in Tayas Horst brühte einen höllisch starken Tee aus den schwärzesten Blättern aus Cabiel. Normalerweise reichte das Gebräu, um den etwa zwanzig Ikariern, die in der Pension lebten, morgens auf die Beine zu helfen und ihnen den notwendigen Kick zu geben, den sie brauchten, um sich ihrem Tagwerk stellen zu können. Am Morgen nach der Hochzeit jedoch musste Taya feststellen, dass sie nach einem halben Becher immer noch gähnte. Ob sie wohl damit durchkam, wenn sie sich einfach noch mal für ein paar Stunden aufs Ohr legte? Alle Muskeln taten ihr weh, ihre Wunden pochten, und ihre Flügel befanden sich zur Generalüberholung in der Reparaturwerkstatt der Schmiede.
„Hallo, Taya!“ Pyke kam ins Zimmer gestürmt, eine Tageszeitung schwenkend. „Dann bist du also wach?“
„Wach kann man das nicht nennen.“ Taya verzog resigniert das Gesicht, als der Freund sich unaufgefordert zu ihr setzte und den Wächter auf dem Tisch ausbreitete. Die Tageszeitung kam wohl frisch aus der Druckerpresse. Pykes Finger, mit dem er erregt auf die breit auf der ersten Seite prangenden Schlagzeilen deutete, war schwarz verschmiert.
TERRORANGRIFF!
Zerrissene Karten greifen Drahtfähre und Raffinerie an!
Eine Nacht der Schrecken!
Stirnrunzelnd überflog Taya die reißerischen Schlagzeilen, um zum eigentlichen Text zu gelangen.
„Du kommst auch drin vor.“ Begeistert zeigte ihr Pyke die entsprechende Zeile. „Wir werden beide erwähnt, aber anscheinend bist du die Heldin.“
„Dass dort Reporter waren, habe ich gar nicht mitbekommen.“ Taya las weiter. „Die haben mich zitiert!“, schrie sie entsetzt auf. „Aber so was habe ich nie gesagt!“
Kichernd las Pyke den Absatz laut vor.
„,Ich habe nur meine Pflicht getan ‘ , erklärte die bescheidene Ikarierin. ‚Ich bin dankbar, dass die Dame Octavus und ihr Sohn nun in Sicherheit sind und ich Gelegenheit hatte, meiner Stadt zu dienen. ‘ Als hättest du nicht genau das von dir gegeben, wenn sie dich gefragt hätten!“
„Ich glaube nicht, dass Taya das mit der Stadt und dem Dienen gesagt hätte“, stellte Cassilta fest, die gerade hereingerauscht kam und sich auf den Stuhl neben ihrer Freundin fallen ließ. „Das hört sich so hochgestochen und künstlich an.“
„Alles erstunken und erlogen!“ Taya war bestürzt. „Ich habe mit niemandem über das Ereignis gesprochen. Außer mit Leutnant Amcathra, und auch das nur, weil er unbedingt meine Aussage haben wollte.“
„Das ist nun mal das Fabelhafte an einer freien Presse!“, grinste Cassi. „Die unsrige ist so frei, dass sie fröhlich erfinden kann, was ihr gerade in den Kram passt.“
„Freu dich doch.“ Pyke wirkte ungehalten. „Du kannst dich geschmeichelt fühlen. Niemand befand es für nötig, ein Interview mit mir zu erfinden.“
„Dabei warst du genauso bedeutungsvoll wie ich.“ Taya wusste, dass die Erhabene Octavus und sie ohne Pykes beherztes Eingreifen ums Leben gekommen wären oder den Sturz nur als Krüppel überlebt hätten. Aber das konnte wohl nur ein Ikarier richtig einschätzen.
„Ich würde ja zu gern hören, wie dudich in der Zeitung zu dem Thema äußern würdest, Pyke.“ Cassi nahm ihrer Freundin den Tee aus der Hand und genehmigte sich einen Schluck. „Igitt!
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