Das mechanische Herz
ihr zumute war, lächelte begütigend.
„Ich muss mich bei dir entschuldigen. Mein Zögern hat nichts mit dir zu tun! Es geht um ein sehr kontroverses Thema. Das Programm, über das abgestimmt werden soll, befindet sich noch in der experimentellen Phase, und wir möchten auf keinen Fall, dass die Zeitungen Wind davon bekommen, ehe wir nicht wenigstens einen Probelauf starten konnten. Gesetzt den Fall, der Rat stimmt einem solchen Probelauf zu.“
„Handelt es sich um eins dieser Denkprogramme, über die wir neulich sprachen?“
„Nun ... es geht wirklich um die Analyse von Verhaltensmustern. Ach was, ich glaube, dir kann ich es verraten! Immerhin bist du eine Ikarierin und an den Umgang mit Geheimsachen gewöhnt. Was ich dir jetzt erzähle, ist über alle Maßen vertraulich, vergiss das bitte nie. Der Rat will auf keinen Fall, dass Informationen über dieses Programm an die Öffentlichkeit gelangen, ehe wir nicht sicher sein können, dass es auch funktioniert. Andererseits ... wenn die Zerrissenen Karten schon davon wissen ...“
„Ihr könnt mir vertrauen“, versicherte ihm Taya hitzig. „Ich bin eine Ikarierin!“
„Ich hatte dich gebeten, die Finger von Pins zu lassen, und trotzdem musstest du sie besuchen.“
„Das war etwas anderes, das war kein Geheimnis, und außerdem hattet Ihr mich nicht gebeten, auf keinen Fall hinzugehen, Ihr hattet mich nur vor der Frau gewarnt.“
Alisters Lippen kräuselten sich – ein schwacher Abglanz seines sonst so strahlenden Lächelns.
„Ich hätte wissen müssen, dass ein Jagdfalke jegliche Warnung in den Wind schlägt.“
„Also?“, drängte Taya. „Worum geht es bei dieser Abstimmung?“
Alister lehnte sich zurück, sein Lächeln war wieder verblasst. „Ich habe ein Programm entwickelt und geschrieben, das sich mechanisches Herz nennt. Es soll Leuten helfen zu entscheiden, ob ein Mensch gut zu ihnen passt oder nicht. Zunächst auf der romantischen Ebene, aber ich glaube, es lässt sich auch in der Politik und in der Geschäftswelt einsetzen.“
„Romantisch?“ Taya rümpfte die Nase. „Soll das Programm uns sagen, wen wir heiraten dürfen?“
„Nein! Nein, ich habe nicht vor, irgendwen seines freien Willens zu berauben, ihm freie Entscheidungen vorzuenthalten!“, versicherte Alister hastig. „Aber nehmen wir mal an, du hast dich verliebt. Ihr füllt beide einen Fragebogen aus, und wir lassen die Lochkarten mit euren Antworten durch das mechanische Herz laufen. Das Programm vergleicht eure Angaben mit hundert Schlüsselvarianten, die ich aus der multivariaten Analyse von tausend erfolgreichen und tausend gescheiterten oder schlichtweg erfolglosen Ehen ermittelt habe. Anhand bestimmter Voraussageparameter, die wir entwickelt haben, baut die Maschine dann eine Reihe statistischer Modelle auf und errechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit einer glücklichen Ehe zwischen euch beiden ist, und zwar unter Berücksichtigung verschiedener hypothetischer sozioökonomischer Rahmenbedingungen. Je größer die Vielfalt der denkbaren Rahmenbedingungen, unter denen die Maschine euch eine glückliche Ehe voraussagt, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass ihr eine gute Wahl getroffen habt.“
Taya zog die Brauen hoch – die Erklärung hatte sie zugegebenermaßen überwältigt.
„Na ja, ich kann verstehen, dass die Zerrissenen Karten solch ein Programm nicht mögen“, meinte sie zögernd. „Wo sie doch ohnehin etwas gegen Maschinen haben. Aber warum interessiert sich der Rat für glückliche Ehen?“
„Weil stabile Ehen integraler Bestandteil einer stabilen Gesellschaft sind.“ Das Thema schien Alister am Herzen zu liegen. Er stand auf und fing an, erregt hin- und herzugehen. „Dank der Großen Maschine ist Ondinium die zivilisierteste Nation der Welt. Sie vermittelt jeden Bürger in eine Lohnarbeit, die seinem Charakter und seinen Fähigkeiten entspricht, und unsere Fabriken arbeiten schnell, effektiv und sicher. Wir können Angebot, Ressourcen und Nachfrage berechnen und zuverlässige Voraussagen machen, um zu verhindern, dass es zu Engpässen oder Überproduktion kommt. Warum sollten wir all diese so erfolgreichen Formeln nicht auch auf persönliche Beziehungen anwenden? Ich will der Liebe wirklich nicht ihren Kitzel nehmen, aber unglückliche, ja schreckliche Ehen würde ich gern zu verhindern wissen. Ehen, in denen Frauen und ihre kleinen Kinder verlassen werden. Oder geschlagen ... oder sogar getötet. Wenn das mechanische Herz nur eine einzige
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