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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Herz schlug schnell. Dann begriff er, dass er sich Rabs brutale Umklammerung an seinen eigenen Handgelenken vorstellte, und schloss die Augen.
    Ein Schweißfilm überzog seine Oberlippe und seine Schläfen, obwohl das Gefühl innerlicher Kälte nicht nachgelassen hatte. Er kannte das Haus nahe dem Lincoln’s Inn, das man »Lavender« nannte. Und hatte gedacht, er würde es nie wieder sehen oder davon hören.

9
    Königinnen der Nacht
    Die Pferde klapperten mit reichlich Tempo über den dunklen Platz, jedoch nicht so schnell, dass er nicht trotzdem die Reihe der Pissoirhäuschen ausmachen konnte - oder die vagen Gestalten, die sie umstanden, kaum sichtbar wie die Motten, die bei Anbruch der Nacht durch den Garten seiner Mutter huschten, angezogen vom Parfum der Blumen. Er atmete bewusst tief durch das geöffnete Fenster ein. Ein ganz anderes Parfum wehte ihm von den Pissoirs entgegen, säuerlich und beißend. Und schwächer, fast nur Erinnerung, der Schweißgeruch von Panik und Verlangen - auf seine Weise nicht weniger verlockend als es der Duft der Nicotiana für die Motten war.
    Die Pissoirs am Lincoln’s Inn waren berüchtigt, sogar noch mehr als die dunklen Rückzugsorte der Arkaden an der Royal Exchange. Ein kleines Stück weiter klopfte er mit seinem Stock an die Decke, und die Kutsche kam zum Halten. Er bezahlte den Fahrer und wartete dann, bis die Kutsche völlig verschwunden war, bevor er in die Barbican Street einbog.
    Die Barbican Street zog sich in einer Kurve über etwa eine Viertelmeile hin und wurde durch den Fleet geteilt,
den eine schmale Brücke überspannte. Dennoch war sie von großer Vielfalt erfüllt, am einen Ende eine Mischung aus Krämerläden und lärmigen Wirtshäusern, die allmählich den Häusern unbedeutender Kaufleute wichen und an der Brücke abrupt vor einer kleinen, halbmondförmig angeordneten Zeile großer Häuser endeten, die mit der Rückseite zur Straße standen und ihre Fassaden hochnäsig einem privaten Park zugewandt hatten. Eines davon war das ››Lavender House‹‹.
    Grey hätte problemlos mit der Kutsche bis zu diesem Platz fahren können, doch er hatte am anderen Ende der Barbican Street beginnen und sich seinem Ziel langsamer zu Fuß nähern wollen. Der Weg würde ihm Zeit lassen, sich vorzubereiten - hoffte er zumindest.
    Es war fast fünf Jahre her, dass er zuletzt einen Fuß auf die Barbican Street gesetzt hatte, und er hatte sich in der Zwischenzeit sehr verändert. Hatte sich der Charakter dieser Gegend ebenfalls verändert?
    Seinem ersten Eindruck nach nicht. Es war sehr dunkel auf der Straße, die nur dann und wann durch Licht, das aus einem Fenster fiel, und den Schimmer des umwölkten Halbmondes beleuchtet wurde, doch es herrschte reges Treiben, zumindest am Anfang der Straße, wo zahlreiche Wirtshäuser für Verkehr sorgten. Menschen - zum Großteil Männer - schlenderten auf und ab, begrüßten und berührten ihre Freunde oder standen in kleinen Gruppen um die Eingänge der Schänken herum. Alegeruch stieg süß und durchdringend auf, vermischt mit den Aromen von Rauch, Roastbeef - und Menschenkörpern, die scharf nach Alkohol und dem Schweiß ihres Tagwerks rochen.
    Er hatte sich Straßenkleider von einem Dienstboten
seiner Mutter geliehen und trug das Haar in einem schweren Zopf, der mit einem Lederriemchen zusammengebunden war. Ein Schlapphut verbarg seine blonde Farbe. Es gab nichts, was ihn äußerlich von den Färbern und Walkern, Schmieden und Webern, Bäckern und Metzgern unterschieden hätte, die hier ihr Revier hatten, und er schritt unerkannt durch die siedende Menge. Unerkannt, solange er nicht sprach - doch das würde auch kaum nötig sein, bis er das ››Lavender House‹‹ erreichte. Bis dahin umtoste ihn der Strudel der Barbican Street, dunkel und berauschend wie die biergeschwängerte Luft.
    Ein Trio lachender Männer strich an ihm vorüber und zog eine Duftwolke aus Hefe, Schweiß und frischem Brot nach sich - Bäcker.
    »Hast du gehört, was die Schlampe zu mir gesagt hat?«, wollte einer in gespielter Entrüstung wissen. »›Wie kann er sich unterstehen!‹«
    »›Ach, komm schon, Betty. Wenn du nicht willst, dass man dir deinen süßen, runden Arsch versohlt, stell ihn nicht so zur Schau!‹
    ›Zur Schau - ich zeig’s dir gleich, du …!‹«
    Sie verschwanden in der Dunkelheit, lachten und schubsten einander herum. Grey ging weiter. Allem Ernst seines Vorhabens zum Trotz war ihm plötzlich weniger beklommen

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