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Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman

Titel: Das Meer Der Lügen: Ein Lord-John-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Pflastersteinen zu ihren Füßen auf; die Straßenlaternen flackerten und glühten unter ihren gläsernen Schirmen und beleuchteten die feuchten Steine, sodass der lauernde Schrecken jener Konferenz im Heuschober endlich verflog.
    »Gewöhnt man sich daran, Mylord?« Tom sah ihn an, und sein rundes Gesicht machte im flüchtigen Licht einen bestürzten Eindruck.
    »Woran? An den Tod, meint Ihr, und an Leichen?«
    »Nun … diese Sorte Tod, nehme ich an.« Der Junge wies mit einer schüchternen Geste auf das Bündel. »Ich glaube, es ist etwas anderes als das, was man in einer Schlacht mit ansieht - aber vielleicht irre ich mich.«

    »Vielleicht.« Grey verlangsamte die Schritte, um eine Gruppe junger Heißsporne vorbeizulassen, die lachend die Straße überquerten und einer Abteilung berittener Wachen auswichen, deren Harnische in der Nässe glänzte.
    »Ich glaube nicht, dass es im Grunde sehr viel anders ist«, sagte er und ging weiter, als das Hufgetrappel am Piccadilly verhallte. »Ich habe schon oft Schlimmeres auf einem Schlachtfeld gesehen. Und ja, man gewöhnt sich daran - es geht nicht anders.«
    »Aber es ist doch etwas anderes?«, beharrte Tom. »Das hier?«
    Grey holte tief Luft und umfasste seine Bürde mit festerem Griff.
    »Ja«, sagte er. »Und ich möchte dem Mann nicht begegnen, für den es Routine ist.«

14
    Eine Verlobung wird gelöst
    Grey wurde kurz nach Anbruch der Dämmerung unsanft aus dem Bett geworfen, weil Korporal Jowett mit schlechten Nachrichten eingetroffen war.
    »Die verflixten Vögel waren ausgeflogen, Sir«, sagte Jowett und reichte ihm eine Note von Malcolm Stubbs, die das gleiche besagte. »Leutnant Stubbs und ich sind mit ein paar Soldaten zu der Apotheke gegangen, zusammen mit diesem Magruder und zwei Konstablern, weil wir dachten, wir könnten die Scanlons überraschen, solange es noch dunkel war.« Schon wenn er gut gelaunt war, sah Jowett wie eine verhärmte Bulldogge aus; jetzt wirkte sein Gesicht absolut Furcht einflößend. »Fanden die Tür verschlossen und haben sie aufgebrochen - aber das Haus war so leer wie eine verflixte Grabkammer am Ostermorgen.«
    Nicht nur die Scanlons hatten sich davongemacht, auch der gesamte Inhalt der Apotheke fehlte. Zurückgeblieben waren nur leere Flaschen und verstreute Abfälle.
    »Man hat sie wohl gewarnt, wie?«, sagte Jowett. »Irgendjemand hat ihnen etwas gesteckt - aber wer?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte Grey grimmig und band sich
seinen Morgenrock zu. »Mit den Nachbarn habt Ihr gesprochen?«
    Jowett schnaubte verächtlich.
    »Hat nicht viel genützt. Iren, allesamt, und geborene Lügner. Magruder hat ein paar von ihnen verhaftet, aber das wird nichts bringen - das konnte man sehen.«
    »Haben sie wenigstens gesagt, wann sich die Scanlons davongemacht haben?«
    »Die meisten von ihnen haben gesagt, sie hätten nicht die geringste Ahnung - aber am Ende der Straße haben wir eine alte Oma gefunden, die gesagt hat, sie hätte am Dienstag gesehen, wie Kisten aus dem Haus getragen wurden.«
    »Gut. Ich spreche später mit Magruder.« Grey blickte aus dem Fenster; es regnete, und die Straße unter ihm war grau und trübe, doch er konnte die Häuser auf der anderen Straßenseite sehen - die Sonne war schon aufgegangen. »Möchtet Ihr etwas frühstücken, Jowett? Wenigstens eine Tasse Tee?«
    Jowetts blutunterlaufene Augen hellten sich ein wenig auf.
    »Dazu sage ich nicht nein, Major«, räumte er ein. »Es ist eine anstrengende Nacht gewesen.«
    Grey schickte den Korporal in der Obhut eines gähnenden Bediensteten in die Küche und starrte dann aus dem Fenster in den strömenden Regen. Er fragte sich, was zum Teufel er davon halten sollte.
    Positiv betrachtet gerieten die Scanlons durch ihr hastiges Verschwinden eindeutig in Verdacht - aber was für ein Verdacht? Sie hatten ein Motiv für den Mord an O’Connell und doch hatten sie einfach geleugnet, etwas
damit zu tun zu haben, und Scanlon hatte dabei so kühl ausgesehen wie ein Teller Gurkenscheiben. Seitdem war nichts geschehen, was sie in Alarm versetzt haben könnte; warum sollten sie jetzt fliehen?
    Was geschehen war , war die Entdeckung des Toten mit dem grünen Samtkleid - doch was konnten die Scanlons damit zu tun haben?
    Dennoch war es sehr wahrscheinlich, dass der Mann irgendwann am Dienstag umgebracht worden war - und Dienstag schien der Tag gewesen zu sein, an dem die Scanlons geflohen waren. Grey fuhr sich mit der Hand durch das Haar, um seine Gehirnwindungen

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