Das Meer der Seelen Bd. 1 - Nur ein Leben
treffen. »Ich verstehe.«
»Danach gehen wir nach Hause, packen aus und entspannen uns.«
»Ich hatte vorher noch nie ein Zuhause.« Daran musste das süße Brötchen schuld sein, ich hätte es ihm sonst nie erzählt. »Ich meine, als ich bei Li war, hatte ich nie das Gefühl, dort hinzugehören. Das ist alles.«
Sam berührte mich am Handgelenk, und ich erschauerte. »Bei mir wirst du immer ein Zuhause haben.«
Ehe ich antworten konnte, hielt uns eine Gruppe von Leuten auf der Treppe an, und Sam stellte mich vor.
Es fielen Dinge wie: »Ana ist meine Schülerin«, zusammen mit: »Wir würden gern die Reisfelder besuchen, wenn die Zeit zum Pflanzen gekommen ist.« Wir machten auch Termine für Besuche des Bienenhauses, der Töpferei und der Gebäude der Holzarbeiter sowie der Textilfabriken.
Ein schwarzhaariges Mädchen, das vielleicht zwei Jahre älter war als ich, legte mir die Arme um die Schultern und drückte mich. »Ich bin so froh, dass du endlich beschlossen hast, nach Heart zu kommen«, sagte sie. »Sag mir Bescheid, wenn du irgendetwas brauchst. Ich wohne nur zehn Minuten
von Sam, und ich verspreche, die Bienen werden dir nichts tun.«
Ich hatte kaum Zeit, mich bei ihr zu bedanken, bevor Sam darauf bestand, dass uns die Zeit davonlief. Als wir außer Hörweite waren, fragte ich: »Das war Sarit, stimmt’s? Das Mädchen mit den Bienen, das mich umarmt hat?«
»Genau. Jedes Mal, wenn du Honig in deinen Kaffee gibst, hast du Sarit dafür zu danken.«
»Ich finde sie netter als die meisten anderen Leute, denen wir begegnet sind.«
Sam ließ ein Lächeln aufblitzen. »Das dachte ich mir schon.«
»Aber ehrlich, ich bin ein bisschen nervös bei dem Gedanken, andere Leute kennen zu lernen.« Ich folgte ihm um eine der gewaltigen Säulen herum, die den Vorplatz oberhalb der Stufen bewachten. »Am Ende müssen wir noch Mist in den Pferdeställen auffegen.«
»Und in den Schweineställen.«
»Wenigstens wirst du mit mir gemeinsam leiden müssen.«
»Ich fürchte, du wirst alleine leiden. Da ich in dieser Hinsicht bereits meinen Beitrag geleistet habe, werde ich die Aufsicht führen. Aus der Ferne und mit irgendeiner Art von Nasen- und Mundschutz, wenn ich anschließend deine Gegenwart ertragen muss. Aber alles andere, klar. Das machen wir zusammen. Vielleicht findest du sogar etwas, das dir Spaß macht.« Er wirkte … wehmütig.
»Dossam!« Ein Mädchen, das aussah, als hätte sie kaum ihr erstes Quindec vollendet, stürzte sich auf Sam, und die beiden umarmten sich. »Du bist zurück, gerade rechtzeitig für die Neuwidmung. Wirst du doch spielen?«
Sam warf mir einen Blick zu. »Ich habe mich noch nicht entschieden. Stef bedrängt mich, dass ich tanzen soll. Ana und ich haben jetzt jeden Morgen Unterricht bei ihr.«
Endlich bemerkte das Mädchen meine Anwesenheit. »Du bist Ana?« Ich hoffe, du hast vor, bei meiner Neuwidmung zu tanzen. Vielleicht kannst du auch Sam dazu überreden, sich nicht die ganze Zeit hinter seinem Klavier zu verstecken. Wir können Aufzeichnungen nehmen.«
Ich lächelte, Sams Rat folgend, und das Mädchen schien erfreut.
»Also, ich muss mich beeilen. Ich habe nur die Einzelheiten der Zeremonie bestätigt, aber ich muss jetzt wieder zu Tera. Sie fühlt sich nicht gut.«
»Ich hoffe, sie erholt sich«, rief ich, aber das Mädchen – Ash vermutlich – war schon den halben Weg die große Treppe hinunter. Sie winkte und verschwand in der Menge.
Endlich zog Sam eine Tür für mich auf, und ich duckte mich unter seinem Arm hindurch. Die Eingangshalle war kühl und still, bis auf die Echos von Schritten und Stimmen hinter schweren Türen. Ich widerstand dem Drang, gleich hier vor Erschöpfung umzufallen. Die vielen Leute – nun, vielleicht würde ich mich daran gewöhnen.
»Du warst großartig.« Sam bedeutete mir, den Flur entlangzugehen. »Jetzt werden sie sich erinnern, dass sie dich mögen …«
»Oder sie mögen dich, und du scheinst nichts gegen mich zu haben.«
»… und sie werden allen etwas Tolles über dich erzählen. Vor allem Armande. Ich denke, er würde alles für dich tun.«
»Du hast mich nur Leuten vorgestellt, von denen du wusstest, dass sie so empfinden würden. Hast du bei ihnen allen auch Unterrichtsstunden genommen?« Vielleicht würde ich für Sam peinliche Geschichten zu hören bekommen, die mir halfen, meine Würde wiederherzustellen. Armande würde bestimmt einige auf Lager haben.
Sams Mundwinkel zuckte in die Höhe, immer derselbe.
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