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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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    Doch dann stößt er mich von sich, und die Möglichkeiten des Augenblicks sind dahin. Nach Luft schnappend, taumelt er zurück. Ich spüre, wie das Bedürfnis, das überwältigende Verlangen in mir durchbricht. Entsetzen und Scham ziehen über sein Gesicht. Er führt die Hand zum Mund, drückt die Finger auf die Lippen. Lippen, die mein Mund nie berührt hat. Die andere Hand streckt er aus, als wolle er mich von sich fernhalten. Er schüttelt den Kopf, schon schießen Tränen aus seinen Augen, schon hinterlassen sie eine glühende Spur auf meinem Gesicht.
    »Nein«, sagt er, als könnte er alles ungeschehen machen.
    »Catcher.« Verzweifelt mache ich einen Schritt auf ihn zu. »Es ist in Ordnung.« Bitte, er soll wieder so sein wie früher. Das brauche ich. Dann könnte ich nämlich auch wieder die sein, die ich früher war.
    »Nein!«, schreit er. Ich zucke zusammen – wegen der Lautstärke, der Bedeutung, der Endgültigkeit. Explosionsartig fliegt im Wald ein Vogelschwarm aus einem Busch auf, Catcher starrt den Vögeln nach, als sie in die Luft aufsteigen. »Es ist nicht in Ordnung«, brüllt er mich an. »Es wird niemals in Ordnung sein!«
    Er stürzt auf mich zu, Angst durchzuckt mich. Noch nie habe ich ihn gewalttätig erlebt. Er hat noch nie seine Stimme erhoben, und damit konfrontiert fühle ich mich klein und unbedeutend … wie ein Nichts.
    Er packt mich am Hemd und zieht mich an sich, sein Gesicht ist über mir. Ich schrecke zurück, weiß nicht mehr, was er jetzt tun und lassen wird.
    »Fass mich nie wieder an, Gabrielle«, knurrt er. Sein durchdringender Blick macht mir fürchterliche Angst. Er schüttelt mich, dann schubst er mich zurück, und ich stürze zu Boden. Benommen bleibe ich liegen, während er mit herunterhängenden, zu Fäusten geballten Händen über mir steht.
    Zitternd reiße ich den Arm zum Schutz hoch, seine Wut ist so greifbar, dass ich fürchte, er könnte zuschlagen. Er ist wie ein entsetzliches Monstrum, nicht wie der Mensch, den ich kenne. »Catcher, nicht!« Ich hoffe, dass meine Stimme zu ihm durchdringen kann.

42
    D ie Farbe weicht aus Catchers Gesicht. Mit einem Blick, als wäre er gerade eben aufgewacht, macht er einen Schritt zurück. »Gabry«, haucht er. Dann schüttelt er den Kopf, der Moment der Verletzlichkeit ist vergangen. Sein Blick wird hohl und leer. An seinem Hals zucken die Muskeln, als er immer wieder schluckt und schluckt.
    »Du musst es den anderen sagen.« Jetzt klingt seine Stimme weich. Alles, was vorher war – Wut und Schmerz – ist weg. »Die Rekruter rücken an. Sie werden es schaffen, durchs Dorf zu kommen.« Und dann dreht er sich um und rennt den Pfad hinunter; wenn er stolpert, muss er sich am Zaun abstützen.
    Ich setze mich auf, schäme mich, fühle mich allein und dumm und elend. Dieses Gefühl bohrt sich durch mich hindurch und hüllt mich in dunkle Schatten wie eine Wolke über dem Meer. Ich möchte darin ertrinken, mich zusammenrollen und mich davon wegtragen lassen, möchte in der absoluten Leere schwelgen, möchte sicher sein, dass man mir keinen Schmerz mehr zufügen kann, dass mir nicht noch mehr genommen werden kann – weil nichts mehr übrig ist.
    Dass Catcher nicht bei mir sein kann, ist nicht das Schlimmste, sondern, dass er nicht bei mir sein will . Er hat mir immer das Gefühl gegeben, ich sei der faszinierendste Mensch auf der Welt, und jetzt hat sich das ins Gegenteil verkehrt – so als wäre ich überhaupt nichts mehr wert.
    Schluchzen erstickt mich, bis ich schließlich den Arm auf den Mund drücke und mir ins Fleisch beiße. Nichts davon will ich hinauslassen, doch das geht nicht, der Schmerz bringt mich an meine Grenzen.
    Ich kann nicht wieder die werden, die ich vorher war, kann nicht das wollen, was ich vorher gewollt habe. Es wird nie mehr dasselbe sein. Catcher wird sich nie wieder erholen. Er wird immer infiziert bleiben. Cira wird immer Mudo bleiben. Ich werde meine biologische Mutter nie kennenlernen. Elias wird immer schwer fassbar sein. Und meine Mutter hat jetzt Harry.
    Diese blöde Welt dreht sich immer weiter, und ich kann nichts dagegen tun. Also setze ich mich mitten auf den Pfad und schluchze, während die Mudo sich an die Zäune drücken und mich anstöhnen.
    »Catcher sagt, die Rekruter verfolgen uns noch immer«, berichte ich, als ich mich den anderen nähere. Harry und meine Mutter stehen redend mitten auf dem Weg, die Hand meiner Mutter liegt auf Odys’ Kopf. Mit hängender Zunge

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