Das Meer Der Tausend Seelen
umgegangen ist, wie er mich am Strand gerettet hat.
Mehr Milizionäre eilen herbei, scharen sich um die Gruppe und schaffen ein Chaos aus Rufen und Stöhnen.
Daniel spuckt auf den matschigen Boden, er hält noch immer seinen Arm quer vor mich, sein Fleisch drückt schwer auf meinen Körper.
Sie sind zu weit weg für mich, ich kann nicht sehen, ob Elias dabei ist, und es fällt mir schwer, meine Irritation zu verbergen.
»Was passiert mit ihnen?«, frage ich.
Daniel schüttelt den Kopf. »Sie kommen unter Quarantäne«, sagt er schlicht. »Das Protektorat mag den Soulers ja erlauben, von Siedlung zu Siedlung zu ziehen und ihre dreckigen Lügen zu verbreiten, wo sie wollen, aber es ist unser Recht, jeden unter Quarantäne zu stellen, der nach Vista möchte.«
Als die Soulers näher kommen, drängen noch mehr Milizionäre mit Waffen im Anschlag aus den Toren. Der Himmel wird von Donner und Blitz erschüttert. Ich schaue zuerst die Soulers und dann die Milizionäre an, der Druck und die Spannung des Augenblicks liegen in der Luft.
Einer der Soulers tritt vor, ein etwas gebeugter, älterer Mann, dessen Augenbrauen von Grau durchzogen sind. An seinem Handgelenk ist eine starre Leine befestigt, die zu einem kiefer- und zahnlosen Mudo führt.
»Der Dritte Orden der Soulers bittet um Einlass in eure Stadt, damit wir das Wort Gottes und die Wahrheit seiner Rettung durch die Wiederauferstehung verbreiten können.« Beim Reden breitet er die Arme weit aus, sein Gewand klebt an seiner Haut. Dabei strafft sich die Leine des Mudo, der ins Stolpern gerät und nach einem Milizionär greift.
Daniel ist angespannt, und ich zucke zurück, als plötzlich alles gleichzeitig passiert. Der Milizionär will mit seiner Klinge nach dem Mudo ausholen. Eine junge Souler-Frau springt vor, um ihn aufzuhalten. Der Mudo stöhnt, reckt sich, Regen tropft von seinem kieferlosen Gesicht.
Und die Axt durchschlägt die Brust der Souler-Frau.
Blut tränkt ihr Gewand, eine rote Fontäne spritzt hervor. In diesem Moment ist alles still. Die Frau schwankt. In ihrer Hand hält sie ihre eigene Leine, mit dem Mudo daran, der neben ihr steht. Ihre Finger werden schlaff, die Kette entgleitet ihr.
Ich erkenne sie wieder, es ist die Frau von letzter Nacht, die, die den Jungen bei seiner Wandlung gehalten hat. Sie ist diejenige, die ich in Stücke reißen wollte, weil sie zugelassen hat, was ihm passiert ist. Aber jetzt, als ich sie hier voller Blut mit dieser Fassungslosigkeit im Blick stehen sehe, ändert sich alles.
Sie sieht jetzt so anders aus. Zerbrechlich, wo sie stark war, rund, wo sie kantig war. Sie wirkt älter, gebückter, als ob alles auf ihr Lastende nun doch zu schwer geworden sei. Sie bricht zusammen.
Der Geruch ihres Blutes steigt in die Luft und sättigt den Raum um sie herum. Ich weiß genau, in welchem Augenblick er die Mudo erreicht. Sie brechen in Stöhnen aus, das hoch und fiebrig klingt. Alle stolpern auf die Frau zu, die Soulers ziehen an den Ketten, um sie unter Kontrolle zu halten. Sie zerren an ihren Halsbändern, als ob sie losrasen wollten, um sich zu der Frau zu schleppen.
Die Milizionäre brechen in Geschrei und Gebrüll aus und gehen auf die Mudo los. Die Soulers bitten und betteln um Gnade, sie fürchten, dass noch jemand von ihnen getroffen werden könnte. Der Regen wird stärker, die Leute rutschen im Matsch aus.
Die Souler-Frau hat den Jungen geführt, der sich geopfert hatte. Seine Zähne sind weg, sein Unterkiefer auch. Und nun, wo er frei ist, nun, wo die Kette los ist, greift er nach der Frau.
Hätte er Zähne, würde er sie verschlingen. Stattdessen wirft er sich nur auf sie, ewig hungrig.
Der Milizionär mit der bluttriefenden Axt holt wieder aus und schlägt die Klinge in den Hals des Mudo-Jungen, der auf die Frau fällt. Sie schreit und umklammert ihn, das Bild ähnelt dem von letzter Nacht – ist aber auf so schreckliche Weise anders.
Galle steigt mir in die Kehle, als ich beobachte, wie die Frau nach dem Gesicht des Mudo-Jungen greift. Sie stößt ihre Finger an die Stelle, an der einmal sein Mund war, hektisch, als ob sie sich irgendwie noch selbst anstecken könnte, ehe sie ihren Verletzungen erliegt. Ich weiche zurück, will wegrennen, will so weit wie möglich von dem weg, was hier geschieht, von den Schreien, den Rufen, dem Stöhnen und dem Blut.
Die Miliz enthauptet die Mudo kurzerhand, obwohl die Soulers für sie bitten. Die Milizionäre stoßen die Soulers weg, zwingen sie, auf dem Boden
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