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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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stehen. Die Türen sind unbewacht, alle sind von der Glocke zur Verteidigung der Stadt gerufen worden. »Viel Zeit haben wir nicht«, sagt Elias. »Sie werden nicht lange brauchen, bis sie merken, dass es kein echter Durchbruch ist.«
    Ich drängele mich ins Gebäude, haste die Treppe nach unten, wo Cira und die anderen mit den Soulers festgehalten werden. Der Anblick ist befremdlich, auf der einen Seite die Soulers in ihren weißen Gewändern, auf der anderen die neuen Rekruter in ihren schwarzen Uniformen. »Was ist passiert?«, ruft einer von ihnen. »Holt uns raus«, schreit ein anderer. Die Angst ist mit Händen zu greifen.
    Elias kniet sich vor die verriegelte Tür und bohrt mit der Spitze seines Messers im Schloss. Auf der Suche nach Cira schweift mein Blick über die hageren Gesichter. Sie lehnt schlaff an der hinteren Mauer und nimmt von dem Tumult kaum Notiz.
    »Cira.« Durch die Gitterstäbe strecke ich die Hand nach ihr aus. Ihr Kopf baumelt, ihre Hände liegen schlapp in ihrem Schoß. »Cira«, wiederhole ich.
    Sie schaut auf, ihre Augen sind hohl, ihr Blick geht ins Leere. Matt hebt sie die Hand, als wolle sie mir zuwinken, und da sehe ich das Blut, das ihr am Handgelenk hinunterläuft.

24
    C ira!«, schreie ich, doch sie scheint durch mich hindurchzuschauen. »So helft ihr doch!«, brülle ich den anderen zu, die das Gitter umlagern. Aber keiner tut etwas. Keiner rührt sich, sie stehen nur bei Elias herum, der das Schloss bearbeitet. Ich versuche sie zu schubsen, zu packen, damit sie Cira in der Ecke auf dem Boden wahrnehmen, aber sie entziehen sich mir.
    Das sind ihre Freunde, die Leute, deren Schicksal sie geteilt hat. Sie hat die letzten Tage mit ihnen verbracht, hat mit ihnen in diesem winzigen Käfig gelebt. Und doch scheint das niemanden zu kümmern. Keiner macht sich die Mühe zu helfen.
    Das Schloss klickt, und mit einem Stöhnen schwenkt das schwere Tor auf. Von innen schieben sich alle auf die Öffnung zu, während ich gegen den Strom von Körpern ankämpfe, um hineinzukommen. Ich laufe zu Cira und bleibe mit einem Ruck neben ihr stehen.
    Mit beiden Händen packe ich ihr Gesicht, zwinge sie, mich anzuschauen. Ihre Lippen zaudern ein bisschen, ehe sie mit zitternden Mundwinkeln ein Lächeln zustande bringt. »Gabry«, sagt sie. Ihre Stimme ist leise, schwach.
    »Cira.« Ich kann ihren Namen kaum aussprechen. Dann zerre ich an ihren Kleidern, reiße die Ärmel ihrer schwarzen Rekruter-Jacke zurück. Der Stoff ist feucht, ihr Blut sickert auf meine Haut, die sich wieder einmal tiefrot färbt. Die Schnitte auf ihren Unterarmen sind gezackt, tief und grob. Das Blut hat angefangen zu gerinnen, aber als ich meine Hand auf die Wunden lege, beginnt es wieder hervorzuquellen.
    Ich weiß nicht, was ich machen soll. »Helft mir!«, rufe ich. Ich schaue über meine Schulter in den mittlerweile leeren Käfig zu Elias, der mit einem der Soulers redet. »Elias, Hilfe!«
    Er schaut auf, sofort hat er die Lage erfasst, eilt herbei, lässt seinen Rucksack fallen und kniet sich neben Cira. »Den Druck beibehalten«, sagt er, dabei zerrt er ein altes Hemd aus meiner Tasche und reißt es in Streifen. Er zieht Cira die Jacke aus, sie will mithelfen, aber ihre Bewegungen sind langsam und unkoordiniert.
    »Schon okay, Gabry«, murmelt sie, ihre Lippen bewegen sich kaum. »Catcher und ich sind bald zusammen. Geh du nur.«
    Ich drücke ihre Handgelenke noch fester, doch sie zuckt nicht einmal.
    »Nein«, sage ich, schlucke Tränen und Todesangst hinunter. »Nein, Catcher ist hier. Es geht ihm gut, ich habe mich geirrt.«
    Sie reißt die Augen auf, dann fallen sie wieder zu. »Aber du hast gesagt …« Ihre Atmung ist flach.
    »Halte ihr die Arme über den Kopf«, sagt Elias. »Und den Druck beibehalten.«
    »Wo ist Catcher?«, fragt Cira. Wie schwer es ihr fällt, etwas zu begreifen, während sie dagegen ankämpft, dass die Kraft sie verlässt.
    »Er ist hier«, erwidere ich, aber ihre Augen sind geschlossen, und ich bin mir nicht sicher, ob sie es gehört hat.
    Ein Schatten fällt auf mich, und ich schaue auf. Blane steht in der Zellentür und zögert noch, den anderen nach draußen zu folgen. Das erinnert mich an die Nacht im Vergnügungspark, an den Augenblick, in dem ich mich entschieden habe, sie alle zu verlassen und wegzurennen. Sie sieht ängstlich aus, sie scheint sich zu schämen. Anscheinend wartet sie auf meine Erlaubnis, ihre Freundin verlassen zu dürfen. »Wie konntest du das zulassen?«, frage ich

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