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Das Meer Der Tausend Seelen

Das Meer Der Tausend Seelen

Titel: Das Meer Der Tausend Seelen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carrie Ryan , Catrin Frischer
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und ein Lächeln streift ihre Lippen. »Catcher.« Ihre Stimme klingt erschöpft und trocken.
    Er schaut uns an. »Was ist passiert?«
    Ich will ihm nicht erzählen, was sie getan hat, deshalb übergehe ich seine Frage. »Sie wird schon wieder«, sage ich. »Was machst du hier? Warum bist du nicht beim Boot?«
    Er schüttelt den Kopf. »Überall Miliz, beim Leuchtturm und am Strand«, erwidert er. Dann richtet er den Blick auf mich. »Sie suchen dich, Gabry. Ich habe gehört, wie sie über Daniel geredet haben.« Er hält inne. »Er war noch nicht tot, als du ihn verlassen hast, Gabry. Sie haben ihn gefunden, bevor er gestorben ist. Er hat ihnen gesagt, dass du es warst.«
    Mich trifft der Schlag, die Luft scheint mir aus der Lunge zu entweichen. Ich wanke unter Ciras Gewicht, und Catcher nimmt mir ihren Arm ab. Hinter mir höre ich Catcher und Elias hastig einige Worte wechseln. Sie überlegen, was wir jetzt machen, wohin wir gehen sollen. Doch ich kann nur an Daniel denken.
    Ich wusste, dass ich ihn umgebracht hatte, und doch ist es ganz anders, wenn man es von einem anderen Menschen hört – wenn man Gewissheit hat.
    Nun wird mir klar, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Hoffnung – man stellt sich Dinge vor, die man nie wissen kann – und der unerbittlichen Realität. Wissen wiegt schwer.
    Elias und Catcher diskutieren, ob wir zurück in die Ruinen gehen oder versuchen sollen, zum Boot zu rennen. Um mich herum hallen immer noch die Geräusche der Stadt, das Läuten der Glocken und die Rufe der Männer. Wieder wird mir klar, dass es kein Entkommen gibt, dass mich alles einholt – das Ende.
    Die Schwerkraft zieht an mir, und ich denke daran, nachzugeben. Ich denke an meine Mutter und wie entsetzt sie wäre, wenn sie wüsste, was hier vorgeht.
    Und sie bringt mich auf die Idee, wo wir hinlaufen können und wohin sie uns vielleicht nicht folgen werden. »Der Wald«, sage ich ausdruckslos. Bei meinen Worten verspüre ich einen irren Drang zu lachen. Vor ein paar Tagen war ich noch zu verängstigt, überhaupt in Erwägung zu ziehen, mit meiner Mutter in den Wald zu gehen – und nun schlage ich vor, dass wir in ihre Fußstapfen treten.
    Catcher und Elias hören mich nicht, und ich drehe mich zu ihnen um. »Der Wald«, sage ich lauter. Sie starren mich beide an, ihre Münder bleiben offen stehen, mitten im Satz.
    »Das ist verrückt«, sagt Catcher. »Da ist nichts … wir werden umgebracht, sobald wir über den Zaun sind.« Dann erbleicht er. »Ich meine, ihr würdet alle …« Er spricht nicht weiter, und wieder fällt mir auf, wie sehr die Immunität ihn verändert hat.
    Elias steht still da und sagt dann: »Sie hat recht.« Er beginnt zu nicken. »Sie hat recht. Das ist das Beste für uns.«
    Catcher zieht Cira von uns weg. »Das ist absurd«, entgegnet er.
    »Nein.« Eigentlich will ich die Worte zurückhalten. »Meine Mutter kommt aus dem Wald. Es gibt Pfade, ein Dorf.« Doch schon, als ich es erkläre, wünsche ich mir, dass sie es mir ausreden.
    »Da gibt es keine Pfade«, erwidert Catcher mürrisch. Seine Wangen glühen rot, die Augen sind zusammengekniffen. »Wenn es sie gäbe, würden wir es wissen. Da ist eine Brücke über den Wasserfall und dann ein Tor ins Nichts.«
    »Aber wenn es Pfade gibt«, sagt Elias und sieht Catcher ins Gesicht, »dann könntest du sie finden. Du kannst in den Wald gehen und nachsehen.«
    Ich nicke. Catcher will protestieren, aber Elias fällt ihm ins Wort. »Hör mal, wir müssen hier weg«, sagt er leise. »Wenn wir hier stehen bleiben, sind wir nicht sicher.«
    Catchers Blick wandert zwischen mir und Elias hin und her und geht dann zu seiner Schwester. Er legt ihr den Arm um die Taille. »Und du versprichst, dass es Pfade gibt? Dass wir fliehen können?«, fragt er. »Dass wir da sicher sind?«
    Nein, will ich sagen, der Wald macht mir fürchterliche Angst. Aber ich glaube, in dieser Situation ist er unsere einzige Hoffnung. Deshalb nicke ich, und wir rennen los.

25
    A uf unserem Weg durch die Stadt zur Brücke über den
Wasserfall hören wir Gerede. Der Durchbruch sei falscher Alarm gewesen, irgendeine Art Übung. Die Leute fangen an, die Fensterläden ihrer Häuser aufzustoßen, und wir hören Rufe von der Barriere, die zu unserer Rechten liegt. Wir arbeiten uns vor, schlängeln uns in nördliche Richtung durch die Straßen, bis wir einen Waldstreifen erreichen, der die Stadt vom Fluss trennt.
    Das Rauschen des Wassers übertönt alles, sogar unsere

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