Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
war. Er war nie der geborene Soldat. Ein bisschen verweichlicht, wenn ich ehrlich sein soll. Unsere Vorgesetzten waren so klug, ihn hinter der Frontlinie in Amiens in die Schreibstube zu setzen. Leider war es nicht von Dauer. Nur wenige Wochen nach meinem Verschwinden wurde er mit Kommandoaufgaben an der Front betraut. Ich wage zu behaupten, dass es ihn ziemliche Überwindung gekostet hat, seine Männer in den Kampf zu führen.«
»Aber freut er sich denn nicht, dass er noch lebt?«
Julian streichelte geistesabwesend mein Haar. »Da bin ich mir nicht so sicher. Es ist nicht einfach, aus allem, was man kennt, herausgerissen zu werden, selbst wenn es mitten aus einem entsetzlichen Krieg ist. Man muss sich ein neues Lebensziel suchen. Ich habe oft das Gefühl, dass er nicht richtig in dieser Welt angekommen ist. Er vermisst Flora, die sein wichtigster Halt war und seine Kämpfe für ihn ausgefochten hat. Nun weiß er kaum etwas mit sich anzufangen. Wir versuchen ihn vor die Tür zu locken und ihn aufzumuntern. Er verlässt sich besonders auf Geoff und teilt ein Büro mit ihm. Der arme Teufel.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist, als ob er seine Seele in der Vergangenheit zurückgelassen hätte.«
Das Schweigen um uns herum war nicht mehr so bedrückend. Ich spürte seine Hand in meinem Haar und seinen regelmäßigen Herzschlag unter meinem Ohr und fühlte mich nicht mehr wie eine Puppe, ein Vogel im Käfig oder eine Nutte.
Nur wie ich selbst.
»Würdest du es mir verraten, wenn ich dich morgen heirate?«, flüsterte ich.
»Nein.«
»Wann dann?«
»Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, mein Liebling. Dann wirst du alles erfahren. Bis dahin ist es meine wichtigste Aufgabe, dich zu beschützen.«
»Verdammt paranoid.«
»Ich fürchte, ja. Kannst du damit leben?«
»Ich muss wohl, weil ich ohne dich nicht leben kann.«
»Dann«, seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern, »bleibst du hier bei mir? Kein Gerede mehr vom Taschenpacken?«
Ich biss mir auf die Lippe. »Das ist unfair, Julian. Du behauptest, dass du mir gehörst und mir jeden Wunsch erfüllen wirst, aber zu guter Letzt gehe ich immer leer aus, oder? Du hast gewonnen. Schon wieder.«
»Kate, Kate.« Er umfasste mich fester. »Bei meiner Ehre, ich tue das alles nur für dich. Wenn du nur wüsstest. Wenn …« Er brach ab und sprach dann ein wenig ruhiger weiter. »Nachdem diese Sache ausgestanden ist, werde ich mich nur noch deinen Wünschen widmen. Ich schwöre es. Dann ist dein Wort Gesetz.«
»Das verlange ich nicht von dir.«
»Bitte, mein Liebling«, raunte er mir verführerisch ins Ohr. »Sag, dass du bleibst. Ohne dich ist mit mir nichts anzufangen. Gib mir nur ein bisschen mehr Zeit. Bitte, Kate, zögere nicht, denn dein Anblick in diesem Morgenmantel bringt mich ganz durcheinander, und ich weiß nicht, wie lange ich noch einen einigermaßen klaren Gedanken fassen kann.«
Ich prustete vor Lachen. »Gut, du hast gewonnen. Eine Woche.«
»Eine Woche?«
»Du hast eine Woche Zeit, um das Problem zu lösen. Wenn ich bis dann keine Antworten bekomme, fahre ich zurück nach Connecticut.«
»Eine Woche.« Er runzelte die Stirn.
»Du kannst mich ja dort besuchen«, schlug ich aufmunternd vor. »Ich würde dich sogar reinlassen.«
»Vielen Dank aber auch.«
»Und ich nehme Eric mit«, fügte ich hinzu, woraufhin seine Miene allerdings noch finsterer wurde. »Bitte, Julian. Versprich mir einfach, keine Geheimnisse mehr vor mir zu haben.«
»Es tut mir leid«, hauchte er, »wegen heute Abend und allem, was ich dir abverlange, du wundervolle Frau.«
Ich senkte die Augenlider. »Die Geheimnisse, Julian.«
Seine Lippen schwebten dicht über meinem Mund.
»Gut, in Ordnung. Du hast noch eine Woche. Solange es nichts damit zu tun hat.«
»Womit?«
Ich bewegte den Finger zwischen seiner Brust und meiner hin und her. »Du weißt schon. Dieser Sache zwischen uns.«
»Ah.« Er lächelte. »Offenbar meinst du die Liebe, Kate.«
»Hm.«
Er lachte leise auf. »Liebling, dann sage ich es für uns beide. Ich liebe dich, Kate.« Er küsste mich auf den Mund. Dann hob er mich in seine Arme und legte mich vorsichtig aufs Bett. »Ich liebe dich, obwohl du einem Mann ganz schön Ärger machen kannst.«
Ich umfasste sein Gesicht. »Aber deshalb liebst du mich ja.«
»So sehr, dass es mir den Verstand raubt.« Mit diesen Worten streifte er mir den Morgenmantel ab und liebte mich sanft und zärtlich, während das Lampenlicht seine Haut beschien und
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