Das Meer der Zeit: Roman (German Edition)
Mission teilnimmst und in meine Zeit versetzt wirst. Denn dann wirst du sterben.«
»Sterben? Aber ich dachte … Wie?«
»Wir hatten gerade geheiratet. Du wolltest mich … finden und mich retten. Und sie haben dich entführt und …« Ich schluckte. »Sie haben dich umgebracht.«
»Was? Wer? Warum?«
»Das spielt keine Rolle und ist zu kompliziert zu erklären. Aber verstehst du jetzt, warum es so wichtig ist, dass du dich morgen von dieser Mission fernhältst und keine Risiken eingehst?«
Er antwortete nicht. Im Zimmer breitete sich eine tiefe Stille aus. Ich konnte mir nicht einmal ausmalen, was in ihm vorging. Vermutlich wirbelten seine Gedanken ebenso wild durcheinander wie meine damals. Mein BlackBerry noch immer in der Hand, saß er verständnislos und schweigend da. Ich bedrängte ihn nicht. Mir war es genug, diesen Augenblick mit ihm teilen zu können. Es gab ihn, er war lebendig, und er befand sich nur wenige Meter entfernt von mir.
Endlich räusperte er sich. »Ist das dein Ehering?«
Ich betrachtete meine Hände. »Ja.«
»Darf ich ihn sehen?«
Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich nestelte an dem Ring herum und versuchte ihn abzuziehen, aber meine geschwollenen Finger gaben ihn nicht frei. »Tut mir leid«, entschuldigte ich mich, »doch ich habe ihn noch nie abgenommen.« Ich kratzte ein wenig Wachs von dem Kerzenhalter aus Zinn und rieb meinen Finger damit ein, bis er nachgiebiger wurde und den schmalen Ring schließlich losließ. Ich legte ihn auf Julians Handfläche.
Er musterte ihn eingehend wie ein Forschungsobjekt. »Ich kann die Gravur nicht richtig entziffern.«
»Ist da eine Gravur?«
Er stand auf, ging zum Fenster und drehte meinen Ring vorsichtig zwischen den Fingern, bis das Innere im dämmrigen Licht des regnerischen Abends zu sehen war. Im nächsten Moment errötete er und wandte sich zu mir um. »Wo hast du ihn her?«, fragte er.
»Du hast ihn mir bei unserer Hochzeit gegeben. Du hast ihn mir selbst an den Finger gesteckt.«
Er schwieg. Nachdem er mich noch eine Weile betrachtet hatte, setzte er sich wieder und nahm meine linke Hand. »Wenn du gestattest«, sagte er, steckte mir den Ring wieder an den Finger, küsste ihn und legte die Hand zurück auf meinen Schoß.
»Glaubst du mir jetzt?«
»Ja«, flüsterte er.
»Was steht da?«
»Du kannst es selbst lesen, wenn du möchtest.«
Ich schaute auf meine Hand. »Nein, das könnte ich nicht.«
»Warum nicht?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich, weil ich noch um denselben Mann traure, der hier vor mir sitzt. Um den Julian Ashford, den ich zurückgelassen habe, der mich kennt und der mich liebt. Der …« Ich verstummte.
»Der was?«
Ich floh zum Fenster und blickte auf die Straße hinaus, wo es allmählich dunkel wurde. Die Lichter der umstehenden Häuser spiegelten sich auf dem feuchten Kopfsteinpflaster.
Der mich jetzt in seine Arme nehmen würde.
Ich hatte seine Schritte nicht gehört. Als seine Hand meinen Ellbogen berührte, fuhr ich erschrocken herum.
»Entschuldige«, sagte er ernst, »ich wollte dir keine Angst machen.«
Er war so nah, so wirklich. Und so lebendig. »Bitte«, stieß ich mit rauher Stimme hervor.
»Kate, tapfere, wunderschöne Kate. Du bist nur meinetwegen so weit gekommen?«
»Ja«, antwortete ich und blickte auf meine Schuhe, weil ich ihm nicht ins Gesicht sehen konnte. Julian und doch nicht Julian, ein quälender Widerspruch.
»Obwohl du damit jegliche Hoffnung aufgibst, dass wir uns eines Tages wieder begegnen?«
»Ich musste. Schließlich konnte ich nicht zulassen, dass du stirbst und mich für immer verlässt.« Ich schüttelte den Kopf. »Wenigstens hast du so noch eine Chance. Du lebst.«
»Mein Gott, du bist wirklich außergewöhnlich. Was für ein Glückspilz war ich. Oder werde ich wahrscheinlich sein.«
»Sag das nicht. Du darfst das nicht tun. Du wirst sterben.«
»Aber was wird aus dir, wenn ich nie in deiner Zeit lande?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte ich und blickte aus dem Fenster. »Ich … ich habe eigentlich noch gar nicht darüber nachgedacht. Wichtig war nur, dass ich etwas unternehme. Du warst tot. Damit konnte ich mich nicht einfach so abfinden. Ich musste etwas tun.« Stirnrunzelnd versuchte ich eine Antwort auf diese Frage zu finden. Mir war alles so einfach und offensichtlich erschienen. Es kam nur darauf an, Julian vor seinem zukünftigen Schicksal zu bewahren. Aber stimmte das auch? Wie sollte ich in den Lauf der Dinge eingreifen, ohne dass mein
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