Das Meer in seinen Augen (German Edition)
weil alles so neu und angespannt war, weil er sich wie immer zu viele Sorgen gemacht hatte. Aber jetzt spürte er diese Verbindung zwischen ihnen beiden und er wusste, dass er genau dafür kämpfen wollte.
»Willst du nicht doch hier bleiben?«, flüsterte David ihm ins Ohr.
Merlin überlegte. Jetzt, da er mit David zusammen auf dem Bett lag, kam ihm alles nur noch halb so schlimm vor. All das, was er bisher auf David bezogen hatte, dass er für ihn da sein würde, wenn er sich outen wollte, wenn es Probleme mit seinen Eltern geben sollte, das galt plötzlich vielmehr für ihn selbst. Er wusste, dass David zu ihm stehen würde, wenn es hart auf hart kam. Das machte die ganze verfahrene Situation erträglicher. Trotzdem schreckte er noch vor dem Gedanken zurück, David die Wahrheit über Paolo zu sagen. Musste er das wirklich? Verdammt, er war solch ein Feigling!
»Nein«, sagte er schließlich. »Ich kann nicht hier bleiben.« Er schluckte. »Ich brauche einfach ein wenig Abstand.«
»Kann ich nicht mitkommen?« David hob den Kopf und sah ihn mit seinen großen, braunen Augen an. Merlin konnte nicht anders, er musste kichern. Dann wurde er aber augenblicklich wieder ernst.
»Ich werde zu einem Bekannten nach Köln fahren. Er holt mich gleich ab.«
»Woher kennst du ihn?«
»Ich ...« Merlin stockte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er sich überhaupt keine Gedanken über Christian gemacht hatte. »Ich habe ihn übers Internet kennengelernt«, sagte er schließlich und fühlte sich fast schuldig.
David schwieg. In Merlin tobte der Verdacht, dass David sich gerade fragen musste, ob dieser ominöse Fremde nicht sein Verhältnis war. Da gestaltete es sich äußerst schlecht, dass er mit Christian in der Tat sowas wie ein Verhältnis gehabt hatte.
»Hör mal, der Typ heißt Chris - also, Christian - und ich habe ihn vor über einem Jahr im Internet getroffen.« Er hielt einen Moment inne. War es wirklich klug, diese Geschichte jetzt auch noch auf den Tisch zu packen?
»Und weiter?«, fragte David. Seine Stimme verriet Anspannung. Merlin seufzte.
»Ich wollte damals einen Freund haben und er suchte ein Abenteuer«, gestand Merlin. »Wir haben uns getroffen, sind zusammen ins Kino, haben ein wenig gefummelt und dann schließlich festgestellt, dass wir nicht zueinander passen.« Merlin lachte bei dem Gedanken daran. »Also eigentlich hab ich es festgestellt und er hat sich tierisch aufgeregt, weil ich ihn ja angeblich die ganze Zeit heiß gemacht habe.«
»Ich kann ihn nicht leiden«, sagte David knapp. »Warum fährst du zu ihm.«
Merlins Herz begann schneller zu schlagen. »Zwischen uns war nichts«, betonte er noch mal. »Wir sind uns eine Zeit lang aus dem Weg gegangen, bis wir dann irgendwann angefangen haben, uns per Mail unsere Sorgen zu schreiben. Seit dem sind wir ganz normal befreundet.«
»Und er will nichts mehr von dir?«
Merlin schwieg. Von Zeit zu Zeit fing Christian immer mal wieder damit an, dass sie es ja noch mal probieren könnten. Wenn Merlin es recht bedachte, war der Typ wohl noch immer kräftig in ihn verschossen.
»Ich glaube - er will noch was von mir«, sagte er schließlich matt. »Aber ich nicht von ihm.«
»Warum fährst du dann zu ihm?«, fragte David fast trotzig.
Langsam spürte Merlin Nervosität in sich aufsteigen. »Ich - ich will mit ihm sprechen.«
»Worüber denn?« David sah ihn mit zusammengekniffenen Augenbrauen an. »Du kannst doch auch mit mir sprechen!« Er schien einen Augenblick zu überlegen. »Oder willst du mit ihm über mich reden?«
Merlin nickte zaghaft.
»Oh«, machte David und legte den Kopf auf Merlins Brust.
Merlin streichelte ihm über die Wange. »Ich hab Scheiße gebaut«, flüsterte er, »darüber will ich mit ihm sprechen.«
David hielt still.
»Er steckt da nicht mit drin. Da ist es was anderes, wenn ich ihn um Rat frage.«
»Aber es hat was mit mir zu tun«, sagte David. »Also will ich es wissen.«
Merlin schluckte wieder. Irgendwie hatte er schon gewusst, dass das alles so enden würde. Jetzt hatte er die Möglichkeit, sein Geheimnis zu lüften. Immerhin hatte er David zugestanden, dass sie nun fest zusammen waren. Eigentlich sollten sie beide glücklich sein. Aber wenn er diese Geschichte nicht ins Reine brachte ...
»Stell dir einfach vor, ich würde dein Geheimnis schon kennen und wir würden einfach ganz normal darüber reden«, sagte David plötzlich. Er bewegte sich kein Stück. Sein Kopf lag immer noch auf Merlins Brust. Aber er
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